Meinung

Konrad Adenauers SPD-Spionage: Ein skrupelloser Machtmissbrauch

Die CDU muss ihr Bild von Konrad Adenauer revidieren. Neue historische Erkenntnisse zeigen: Der erste Kanzler hat seine Macht missbraucht, um die SPD vom BND ausspionieren zu lassen. Die CDU muss nun Farbe bekennen.
von Karin Nink · 9. April 2022
Machiavelli vom Rhein: Konrad Adenauer ließ systematisch die SPD-Spitze und Willy Brandt (r.) bespitzeln.
Machiavelli vom Rhein: Konrad Adenauer ließ systematisch die SPD-Spitze und Willy Brandt (r.) bespitzeln.

Man muss sich ein wenig die Augen reiben. Leben wir doch in der Bundesrepublik Deutschland und nicht in den USA, wo das Ausspionieren des politischen Gegners durch einen republikanischen Präsidenten schon länger bekannt ist.

Was nun aber der Historiker Klaus-Dietmar Henke erforscht und die „Süddeutsche Zeitung“ erstmals veröffentlicht hat, zeigt: In der Bundesrepublik der 1950er und -60er Jahre war es nicht besser. Die neuen Erkenntnisse von Henke verlangen nichts anderes als ein Umschreiben der bundesrepublikanischen Nachkriegsgeschichte.

Skrupeloser Machtmissbrauch Adenauers

Denn: Konrad Adenauer, der erste und langjährige Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, hat in der Zeit von 1953 bis 1962 den SPD-Parteivorstand systematisch ausspionieren lassen. Seine Handlanger waren zwei Genossen und der damalige Chef des Bundesnachrichtendienstes, Reinhard Gehlen, der während der Nazi-Zeit ein führender und einflussreicher Militär war.

Adenauer erfuhr alles, was in dem Führungsgremium der SPD besprochen wurde: von Erkrankungen von Sozialdemokraten, über interne Machtkämpfe bis hin zu Wahlkampfstrategien und internen politischen Einschätzungen. Er konnte so, um seine Macht zu erhalten und zu verlängern, seine politischen Strategien entsprechend ausrichten. Wie die Bundesrepublik Deutschland ohne diesen skrupellosen Machtmissbrauch ausgesehen hätte, lässt sich 70 Jahre danach noch nicht mal mehr im Ansatz rekonstruieren.

Den BND für Parteipolitik instrumentalisiert

Eins ist mit den neuen historischen Erkenntnissen aber ganz klar: Das Bild des freundlichen Rosenzüchters, der in Rhöndorf am Rhein das Leben eines familienfreundlichen Patriarchen pflegte, muss revidiert werden. Adenauer war ein eiskalter Machtpolitiker, ein Macchiavelli der Nachkriegszeit, der den Auslandsnachrichtendienst BND für seine parteipolitischen Zwecke instrumentalisierte und dem es nicht um faire demokratische Spielregeln ging.

Interessant wird es zu erfahren, welche Konsequenzen die CDU auf diesen historischen und massiven Machtmissbrauch ihres Idols ziehen wird. Werden sie ihre Parteizentrale auch künftig Konrad-Adenauer-Haus nennen? Wird die parteinahe Konrad-Adenauer-Stiftung, mit der auch junge Menschen im konservativen, aber demokratischen Geiste gefördert werden, wirklich weiter den Namen des Patriarchen aus Rhöndorf tragen?

Keine großen Hoffnungen auf Konsequenzen

Zugegebenermaßen sind die Christdemokraten (Frauen spielen in der Partei ja auch nach oder vielleicht gerade wegen einer Kanzlerin Angela Merkel immer noch eine untergeordnete Rolle) nicht sonderlich sensibel, wenn es um massive Fehltritte ihrer Parteiprominenz geht: Selbst, wenn man die NS-Vergangenheit von Kurt Kiesinger beiseitelässt, muss man sich nur an das angebliche Ehrenwort von Helmut Kohl bei der CDU-Spendenaffäre erinnern.

Der ehemaligen Kanzler war während der Spendenaffäre und auch danach nicht bereit, sich nachträglich an Recht und Gesetz zu halten und für demokratische Hygiene in seiner Partei zu sorgen. Er weigerte sich bis zu seinem Tod, die Namen der angeblichen Spender zu nennen, die ihm an den Büchern der CDU vorbei Spenden in Höhe von 2,1 Mio. D-Mark gezahlt haben sollen. Angeblich habe er sein Ehrenwort gegeben. Dennoch wurde er in der CDU bis zu seinem Tod hoch in Ehren gehalten, auch wenn er formal als Ehrenvorsitzender zurücktreten musste.

Allzu viel Hoffnung sollte man sich also nicht machen, dass die CDU aus den neuen Enthüllungen die entsprechenden Konsequenzen zieht. Erst recht nicht mit einem Parteivorsitzenden Friedrich Merz.

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Karin Nink

ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.

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