Klimaschutz-Debatte: CO2 keinen Preis zu geben ist wirklich unsozial
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Vorweg: Der Autor dieses Beitrags entstammt einem Arbeiterhaushalt und verbrachte seine Kindheit auf Hannovers Mühlenberg, einem der sozialen Brennpunkte der Stadt. Er weiß, was es heißt, jeden Euro umzudrehen und trotzdem – nein, vielleicht auch gerade deshalb – findet er es richtig, dass CO2 seinen Preis bekommt.
Spätestens seit das Bundesverfassungsgericht die Bundesregierung aufgefordert hat beim Klimaschutz nachzulegen, ist klar: Klimaschutz findet nun sehr konkret im Alltag statt. Doch wie (un)sozial ist es, dass ich selber für die Folgen meines Handels aufkommen muss, statt sie der Allgemeinheit aufzulasten? Politik und Medien kochen gerade über bei dieser Frage, zu sehen auch an der Debatte um den CO2-Preis.
Um die CO2-Emissionen zu mindern gibt es für den Staat verschiedene Wege: Er kann mit dem Ordnungsrecht Leitplanken setzen, er kann in Infrastruktur investieren oder auch die Emissionen mit preislichen Instrumenten deckeln. Im Klimaschutzgesetz und den begleitenden Maßnahmen ist derzeit ein Mix aus allen Instrumenten angelegt: Grenzwerte für Pkw, Investitionen in Wasserstoff und Ladesäulen oder auch die Ausweitung des Emissionshandels. Der Handel mit Zertifikaten ist dabei – zumindest in der Theorie – die treffsicherste und effizienteste Methode um CO2 einzusparen: Er setzt einen Deckel auf die Emissionen und die Martkteilnehmer können dann selber entscheiden: Kaufen oder vermeiden. So sie denn entscheiden können.
Mit Emissionshandel auf dem Weg zur Klimaneutralität
Seit 2021 ist nun ein nationaler Emissionshandel für Brennstoffe in Kraft, wobei hier zusätzlich die Preise gedeckelt sind. Heute werden Benzin und Heizöl mit einem CO2-Preis von 25 Euro je Tonne belegt. Weil dieser in Zukunft noch kräftig steigen soll, wird dabei auch über die sozialen Folgen diskutiert. Als Beispiele werden einkommensschwache Fernpendler*innen in schlecht sanierten Häusern mit Ölheizung oder Krankenpfleger*innen im ländlichen Raum herangezogen. Die Argumente wiegen schwer, denn eine CO2-Bepreisung belastet ärmere Menschen in der Tat stärker als reichere.
Zwar emittieren finanziell Bessergestellte mehr Treibhausgase als jene mit weniger Geld, da sie öfter große Autos besitzen, das Flugzeug nutzen oder in größeren Wohnungen leben. Doch bringen einkommensschwächere Menschen einen prozentual größeren Teil ihres Einkommens für Heizung und Verkehr auf. Sie können deswegen auf steigende Preise schlechter reagieren. Hier kann Klimaschutz erst dann gelingen, wenn die Produkte selbst klimaschonender werden, etwa durch einen bezahlbaren CO2-freien ÖPNV oder Vermieter*innen, die die Heizungen sanieren.
Für den Deutschen Naturschutzring habe ich schon in der Kohlekommission deutlich gemacht: Die Klimakrise duldet kein Zögern. Aber eine kalte Dekarbonisierung ist auch mit uns nicht zu machen. Entsprechend fordert der DNR ein breites Set an Investitionen und Ordnungsrecht: Anhebung der Ausbauziele für Erneuerbare, Verbot der Neuzulassung fossiler Verbrennungsmotoren ab 2030, energetische Standards – aber eben auch einen Preis auf CO2, der ab 2030 dazu führt, dass der Schaden, der aus der Verbrennung von Öl, Gas und Kohle entsteht, nicht mehr sozialisiert wird.
Wie aus der Klimakrise (k)eine soziale Krise wird
Darüber sollte aber nicht Klimaschutz gesteuert werden. Denn wenn sich die oberen 10 Prozent freikaufen können und die fossile Party weiterfeiern, während die unteren 30 Prozent nicht wissen, wo sie das Geld hernehmen sollen, wird aus der Klimakrise schneller eine soziale Krise, als uns lieb ist.
Es sollte deswegen vielmehr um die Beseitigung von Fehlanreizen gehen: Von 2000 bis 2018 stiegen die Preise im öffentlichen Personennahverkehr um 79 Prozent, die Preise für Bahntickets um 57 Prozent, die Preise für Kauf und Unterhaltung von Pkw aber nur um rund 36 Prozent. Gerade der klimafreundliche öffentliche Verkehr, auf den untere Einkommensgruppen angewiesen sind, wurde unverhältnismäßig teuer. Derzeit muss so rund die Hälfte der Menschen mit sehr niedrigem Einkommen, die kein Auto besitzen und nicht fliegen, die sozialen, gesundheitlichen, ökologischen und volkswirtschaftlichen Lasten, die von den Vielflieger*innen und SUV-Fahrer*innen verursacht werden, mittragen.
Klar ist: Wenn mittelfristig der CO2-Preis die Schäden abbildet, die die Emissionen verursachen, dann braucht es eine Flankierung. Wie das gehen kann, ist manchmal überraschend. Insbesondere eine aktuelle Studie des MCC ist dabei spannend: So trägt die Splittung des CO2-Preises auf die Heizkosten zwischen Mieter*innen und Vermieter*innen oder auch die Anhebung der Pendlerpauschale nur marginal zur Entlastung einkommensschwacher Haushalte bei.
Am Meisten nützt eine Pro-Kopf-Rückerstattung der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung und eine Absenkung der EEG-Umlage. Gleiches konnte auch vom Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), der Hans-Böckler-Stiftung, und dem Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) aufgezeigt werden: Je höher der CO2-Preis, umso höher die Erstattung pro Kopf, desto höher die Umverteilung von oben nach unten. So führt der CO2-Preis nicht nur zu mehr Klimaschutz, sondern auch zu mehr Gerechtigkeit.
Vor den Bürger*innen an der Wahlurne muss man auch keine Angst haben. Studien des Umweltministeriums und der für Belastungsorgien unverdächtigen Verbraucherzentrale zeigen: die Menschen unterstützen einen CO2-Preis. Und sie wollen Investitionen in grüne Infrastruktur sehen. Erst bei steigenden Preisen erwarten sie eine Kompensation.
Ein CO2-Preis ist somit nicht unsozial. Schon heute verursacht eine Tonne CO2 umgerechnet 195 Euro Schäden, die von allen und nicht von den Verursacher*innen getragen werden. Kein CO2-Preis wäre unsozial. Gerecht oder ungerecht ist die Flankierung des CO2-Preises. Sozial tragbar wird er dann, wenn die Menschen in die Lage versetzt werden, diesen Preis auch zahlen oder vermeiden zu können. Die Sozialdemokratie sollte sich deshalb die Frage stellen, ob sie Gerechtigkeit und Sozialpolitik wirklich an Benzinpreisen und Flugtickets festmachen will. Die sozialdemokratische Klimaformel könnte eher lauten:
- Wer den Schaden verursacht, bezahlt ihn auch.
- Wir entlasten Haushalte durch den Abbau der EEG-Umlage.
- Wir geben die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung vollständig zurück über
- Investitionen in grüne Infrastruktur und
- eine Pro-Kopf-Pauschale für alle Haushalte.
Die Zukunftsmissionen der SPD machen klar: Es ist Zeit für eine klimagerechte Politik. Die Konzepte liegen auf dem Tisch. Deshalb: Lösen wir die soziale Frage jetzt, dann muss niemand mehr Angst vor einem Klimaschutz haben, der der Krise gerecht wird.