Meinung

Klimaschutz darf in der Corona-Krise nicht geopfert werden

Der VW-Chef fordert ein Konjunkturprogramm für die deutsche Auto-Industrie. Dabei wären die Folgern einer erneuten Abwrackprämie sehr gefährlich. Klimaschutz darf nicht zur Verhandlungsmasse für kurzfristige Konjunkturhilfen werden.
von Benedikt Dittrich · 28. April 2020
Die Abwrackprämie schickte damals zahlreiche Autos vorzeitig auf den Schrottplatz – eine Katastrophe für die Klimabilanz.
Die Abwrackprämie schickte damals zahlreiche Autos vorzeitig auf den Schrottplatz – eine Katastrophe für die Klimabilanz.

VW-Konzernchef Herbert Diess forderte am Montag ein Konjunkturprogramm für die deutsche Automobilindustrie. Begründung: „Das ist wahrscheinlich die beste Möglichkeit, die Wirtschaft hierzulande anzukurbeln.“ Auf eine Antriebstechnologie, beispielsweise klimafreundlichere Elektromotoren, wie sie Bundesumweltministerin Svenja Schulze mit einer „Innovationsprämie“ fördern möchte, will Diess sich nicht festlegen. Das erinnert an die Abwrackprämie aus dem Jahr 2009. Wer sein altes Auto damals gegen ein neues eintauschte, bekam zusätzlich 2500 Euro vom Staat – egal was für ein Auto er oder sie kaufte. Das kurbelte wirksam die Konjunktur an und sicherte Arbeitsplätze.

Dass Diess für seine Branche nun wieder eine „Absatzhilfe“ fordert und damit vielleicht auch viele tausende Mitarbeiter*innen bei VW, BMW oder Opel und in der Zulieferindustrie schützen will, kann man ihm nicht vorwerfen. Doch zu welchem Preis? Eine „Nebenwirkung“ der Prämie damals war, dass viele Fahrzeuge auf dem Schrottplatz landeten. auch wenn sie erst wenige Jahre auf dem Buckel hatten. Eine Katastrophe für die Klimabilanz, denn jeder Neuwagen verursacht in der Fertigung zunächst eine Menge CO2-Emissionen, bevor überhaupt nur ein Kilometer damit gefahren wurde.

Keine „Abwrackprämie 2.0“

Nur störte das damals kaum jemanden. 2009 gab es noch keine „Fridays for Future“, die Klimaschutzdebatte wurde vorrangig auf UN-Konferenzen geführt, fernab der Lebensrealität vieler Menschen. Auch die Reaktorkatastrophe von Fukushima sollte erst zwei Jahre später den erneuten Atomausstieg und damit die Energiewende in Deutschland besiegeln. Es war eine andere Zeit. Das gilt für die Krise an sich, sollte aber auch für Überlegungen gelten, wie wir auch aus der Corona-Krise wieder gestärkt herauskommen. Eine neue Abwrackprämie würde womöglich der Autoindustrie kurzfristg helfen und Jobs sichern, hätte aber auch wieder dieselben Nebenwirkungen für Klima und Umwelt.

Die Abwrackprämie nach altem Vorbild wäre ein Rückfall in alte Denkmuster: Arbeit und Wachstum auf Kosten natürlicher Ressourcen, Umwelt und Klima. Wenn wir es mit Klimaschutz aber wirklich ernst meinen, dürfen Wirtschaftswachstum und Klimaschutz nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden, auch nicht nach einer Krise.

Doch genau das passiert gerade. Etwa, wenn von zu großen Belastungen der Wirtschaft durch den „Green Deal“ der EU gewarnt wird, wenn die Krise als Begründung dafür genommen wird, dass der Wirtschaft zusätzlich zu den Belastungen durch Corona nicht auch noch mehr Klimaschutz zugemutet werden könne.

Klimaschutz ist der falsche Feind

Wer Klimaschutz gegen Wirtschaftswachstum aufwiegt, hat die Stimmung in Deutschland vor der Pandemie entweder komplett vergessen oder ignoriert sie ganz bewusst. Die Klimaproteste im vergangenen Jahr waren keine Spaßveranstaltung, sondern auch ein Ergebnis von Frust und dem Gefühl, von der älteren Generation nicht ernst genommen und um die eigene Zukunft gebracht zu werden. Schon vor der Krise wurden Klimaschutzmaßnahmen immer wieder vertagt, aufgeweicht, rückgängig gemacht. Wer aber die bevorstehende Rezession bekämpfen will, indem er den Klimaschutz opfert, der will auch ein Feuer löschen, indem er Öl auf die Flammen schüttet.

Wenn wir die nach langen Verhandlungen getroffenen Klimaschutzmaßnahmen jetzt für kurzfristige Konjunkturhilfen wieder kippen, verlieren wir wieder wertvolle Zeit im Kampf gegen den Klimawandel. Schon jetzt warnen Expert*innen davor, dass die nächste große Krise klimagetrieben sein könnte. Das ist nicht so schwer vorstellbar: Ernteausfälle, Überschwemmungen und Fluchtbewegungen aus verwüsteten Regionen sind nur einige der denkbaren Szenarien, die solche Krisen auslösen können. Welche Ausmaße solche Entwicklungen auf globaler Ebene annehmen können, davon haben wir seit der Corona-Pandemie zumindest eine Ahnung.

Egal ob global, auf europäischer Ebene oder in Deutschland: Die vereinbarten Klimaschutzziele dürfen nicht zur Verhandlungsmasse für kurzfristige Konjunkturhilfen werden. Denn der Klimawandel macht keine Pause und wartet, bis wir die Folgen der Corona-Pandemie bewältigt haben. Oder wie es Bundesumweltministerin Svenja Schulze beim Petersberger Klimadialog formulierte: „Es wird eine Zeit nach der Pandemie geben, eine Zeit des Neustarts. Die müssen wir nutzen, um unsere Wirtschaft, unsere Gesellschaft krisenfester zu machen.“ In Europa wäre der „Green Deal“ eine Blaupause dafür.

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare