Meinung

KI-Kennzeichnungspflicht: Was dafür und dagegen spricht

Technologien auf der Grundlage von KI entwickeln sich rasend schnell. Die Europäische Union will ebenso zügig Regeln für den Umgang mit KI-Inhalten formulieren. Ganz oben auf der Agenda: eine Kennzeichnungspflicht. Wie sinnvoll ist sie?
von Die Redaktion · 6. Juni 2023
Sollte es eine Kennzeichnungspflicht für Künstliche Intelligenz geben? Es gibt gute Argumente dafür und dagegen.
Sollte es eine Kennzeichnungspflicht für Künstliche Intelligenz geben? Es gibt gute Argumente dafür und dagegen.

Pro:

Ob ein Bild vom Papst in einer weißen Daunenjacke oder die Zeichnung einer dystopischen Fantasiewelt im Stile van Goghs: Generative KI lässt uns Inhalte erstellen, die zur Belustigung und zum Staunen anregen. Diese wirken zunächst harmlos. Jedoch lassen jüngste Beispiele auf andere gesellschaftliche Auswirkungen der KI-Tools schließen. So postete ein Bundestagsabgeordneter der AfD-Fraktion Bilder von Mitgrant*innen mit wutverzerrten Gesichtern, um seine fremdenfeindliche Message in die Welt hinauszutragen. Dass er diese Bilder mithilfe von KI entwickelt hatte, ließ er unerwähnt.

Situationen wie diese stellen uns vor große gesellschaftliche Herausforderungen. Mit fortschreitender technologischer Entwicklung wird die Bewertung des Wahrheitsgehalts von Inhalten erschwert. In einer zunehmend von KI geprägten Welt benötigen wir daher maximale Transparenz: Kennzeichnungspflichten für KI-Inhalte sind unerlässlich, um unsere Gesellschaft vor Manipulation und Missbrauch zu schützen. Das liegt zum einen daran, dass KI-Inhalte sehr fehleranfällig sind. Wikipedia-Artikel, Reddit-Threads und Parler-Theorien finden gleichermaßen Einzug in die maschinell generierten Antworten. So werden Falschinformationen und auch Verschwörungstheorien reproduziert ohne Möglichkeit für gesellschaftliche Kontrolle.

Es darf kein Ratespiel geben

Zudem eignen sich generative KI-Tools hervorragend für die Erstellung von Desinformation und Propaganda. Im Handumdrehen lassen sich täuschend echte Inhalte erstellen, die Menschen in die Irre führen können. In Kombination mit organisierten Desinformationskampagnen, wie es sie bereits von russischen Akteur*innen gegeben hat, können ChatGPT und Co. als Brandbeschleuniger wirken.

Als Gesellschaft müssen wir daher wehrhafter werden. Bürger*innen müssen befähigt werden, informierte und souveräne Entscheidungen über den Wahrheitsgehalt eines Textes oder Bildes zu treffen. Die Frage „Hinter welcher Arbeit steckt ein Mensch, hinter welcher eine Maschine?“ darf nicht zum Ratespiel werden. Wir brauchen Kennzeichnungspflichten für KI-generierte Inhalte, um ein Bewusstsein für den Umfang an Fehleranfälligkeit und Desinformation zu schaffen. Das ist elementar für das Vertrauen in unserer Gesellschaft.

 

Contra:

Eine Kennzeichnungspflicht von Inhalten, die von einer Künstlichen Intelligenz (KI) produziert wurden, kann in einigen Fällen Nachteile mit sich bringen. Eine der Hauptprobleme besteht darin, dass die Kennzeichnung möglicherweise die Glaubwürdigkeit von Inhalten in Frage stellt. Wenn Nutzer*innen sehen, dass ein Inhalt von einer KI erstellt wurde, könnten sie dies als weniger glaubwürdig empfinden als einen Inhalt, der von einem Menschen aus Fleisch und Blut erstellt wurde. Dies kann dazu führen, dass KI-generierte Inhalte weniger Beachtung finden oder weniger geteilt werden.

Ein weiterer Nachteil besteht darin, dass die Kennzeichnung möglicherweise die Verbreitung von KI-generierten Inhalten einschränkt. Wenn beispielsweise Social-Media-Plattformen KI-generierte Inhalte kennzeichnen, kann dies dazu führen, dass sie weniger häufig auf der Plattform geteilt werden oder weniger Sichtbarkeit erhalten. Dieser Umstand kann insbesondere für Unternehmen, die eben auf KI setzen, um Inhalte zu erstellen, ein Problem darstellen.

Vertrauensverlust durch Kennzeichnungspflicht

Darüber hinaus kann eine Kennzeichnungspflicht auch dazu führen, dass Menschen Vorurteile gegenüber einer KI entwickeln. Wenn KI-generierte Inhalte ständig gekennzeichnet werden, können Nutzer*innen den Eindruck gewinnen, dass sie weniger Wert haben als Inhalte, die von Menschen erstellt wurden. Dies kann dazu führen, dass die Menschen weniger Vertrauen in KI-generierte Inhalte haben und diese als minderwertig oder irrelevant betrachten. Schließlich besteht das Risiko, dass eine Kennzeichnungspflicht von KI-generierten Inhalten zu übertriebenen Reaktionen von Nutzer*innen führen. Wenn beispielsweise ein*e Nutzer*in sieht, dass ein Inhalt von einer KI erstellt wurde, kann er oder sie dies als Grund sehen, um den Inhalt abzulehnen oder nicht ernst zu nehmen, ohne sich den Inhalt tatsächlich anzusehen. In der Folge kann dies zu Fehlinterpretationen und Missverständnissen führen.

Insgesamt gibt es also mehrere Nachteile, die mit einer Kennzeichnungspflicht von KI-generierten Inhalten verbunden sein können. Während eine Kennzeichnungspflicht dazu beitragen kann, Transparenz und Vertrauen zu schaffen, müssen die potenziellen Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit, Verbreitung und Akzeptanz von KI-generierten Inhalten auf jeden Fall berücksichtigt werden.

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Mensch oder KI?

Einer der beiden Texte wurde von einem Menschen geschrieben, der andere von einer Künstlichen Intelligenz. Erraten Sie welcher? Den „menschlichen“ Text finden Sie hier.

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