Meinung

Friedenspolitik 2.0: Warum wir mehr Erhard Eppler wagen sollten

Zeit seines Lebens trat Erhard Eppler für die Verständigung der Völker und den Frieden ein. In seinem Sinne sollte auch die neue Bundesregierung handeln – etwa im Ukraine-Konflikt.
von Gernot Erler · 9. Dezember 2021
Trat sein Leben lang für den Frieden ein: Erhard Eppler
Trat sein Leben lang für den Frieden ein: Erhard Eppler

Die Klimakatastrophe, die Sorgen um die ungehemmte Zerstörung der Umwelt und der unkalkulierbaren Gefahren für die Welt und die Menschheit beherrschen weltweit die politische Diskussion. Erhard Eppler artikulierte diese Probleme bereits  in seiner Zeit als Entwicklungsminister, vor allem 1972 in der Oberhausener Rede bei der IG Metall. Nicht abgehoben und abstrakt sondern sehr konkret unter dem Thema „Lebensqualität“. Heute parteiübergreifend anerkannt, fand er damals kaum Zustimmung, erntete Unverständnis und Polemik.

Diese Erkenntnisse zogen sich durch sein gesamtes politisches Leben wie auch sein dabei erkennbares Denken, das strategisch, praxisorientiert und an humanitären Grundwerten ausgerichtet war. So gelang es ihm immer wieder, Orientierung in komplexen politischen und gesellschaftlichen Problemen zu geben, als Kirchentagspräsident, als Vorsitzender der SPD-Grundwertekommission, bei der Strukturierung der deutschen Entwicklungspolitik, in der Nachrüstungsdebatte der 1980er Jahre, für den Dialog im geteilten Deutschland oder für das deutsch-russische Verhältnis.

Sorge vor Populismus

Er arbeitete für ein Europa, das nicht in einen neuen „Kalten Krieg“ mit Russland hineinschlittern sollte. Das Schmähwort „Putinversteher“ nahm er dafür in Kauf. Das Gespräch zwischen den Ideologien, das er durch die Grundwertekommission der SPD, deren Vorsitzender er 16 Jahre lang war, geführt hat und das wesentlich zur deutschen Vereinigung beigetragen hat, war ein wesentlicher Beitrag zur Ost-West-Verständigung.

Erhard Eppler beschäftigte sich mit der zerstörerischen Kraft medialer Propaganda und hasserfüllter Sprache, die unter einem Twitter-Präsidenten zur Norm wurden. Mit Sorge betrachtete er die simplifiziert-populistische Gut-Böse-Dichotomie und das ungenierte Bekenntnis zu Ignoranz, Egomanie und Rücksichtslosigkeit.

Erhard Eppler lebte für ein Europa, in dem die Länder versuchen, miteinander und füreinander zu leben, für eine Europäische Gemeinschaft, die mehr ist als eine pure Wirtschaftsgemeinschaft. Er lebte und kämpfte bis zu seinem  Tode für ein Europa des Friedens und der Verständigung. In den letzten Jahren war das Hauptmotiv des mehrfachen Urgroßvaters die Sorge, für diese Nachkommenschaft ein Europa in Frieden zu hinterlassen. Das war sich Erhard Eppler auch als führende Gestalt der Friedensbewegung schuldig.

Die Gefahren der forschreitenden Umweltzerstörung

Er lebte für einen Staat, der vor allem die Ärmeren und Abhängigen schützt und der nicht im Sinn des Marktradikalismus es dem Markt zutraut, gerechte Zustände zu bewirken. Unter Freiheit verstand er nicht die Freiheit, dem andern die Ellbogen in die Rippen zu stoßen und die Unterlegenen ihrem Schicksal zu überlassen, sondern die Freiheit, über den eigenen Schatten zu springen und sich für das Lebensrecht der Unterlegenen einzusetzen.

Viel früher als fast alle Zeitgenossen erkannte Erhard Eppler die immense Gefahr, die durch fortschreitende Zerstörung der Umwelt besonders den Völkern im Süden und bald der ganzen Menschheit droht. Heute erkennen die Vertreter fast aller Parteien, wie sehr er künftige Entwicklungen vorausgesehen hat. Er erkannte früh, dass Entwicklungspolitik und die Erhaltung und Sicherung der Umwelt unmittelbar zur Friedenspolitik gehörten.

Aktive Politik der Friedensförderung

Der Erhard-Eppler-Kreis „Frieden 2.0“ fühlt sich verpflichtet, in diesem Sinn das politische Erbe von Erhard Eppler weiterzuführen. Er wird sich immer wieder in diesem Sinne öffentlich in die politische Diskussion einbringen und versuchen, bei den verantwortlich politisch Handelnden Gehör für eine aktive Friedenspolitik zu finden.

In der politischen Tradition von Erhard Eppler fordert der „Erhard-Eppler-Kreis Frieden 2.0“ anlässlich seines 95. Geburtstages von der neuen Bundesregierung eine aktivere Politik der Friedensförderung, die die internationalen Beziehungen von einer aktiven Gestaltung des Friedens her formuliert und gestaltet. Zudem halten wir im Sinne Erhard Epplers eine umgehende Deeskalationspolitik im Ukraine-Konflikt für dringend erforderlich.

Autor*in
Gernot Erler

ist Vorsitzender des Erhard-Eppler-Kreises.

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