Meinung

Forderung der Grünen: Teures Benzin ist noch kein Klimaschutz

Eigentlich muss man den Grünen dankbar sein, dass sie höhere Benzinpreise fordern. Denn damit beantworten Annalena Baerbock und Robert Habeck die Frage, wer aus ihrer Sicht den Klimaschutz bezahlen soll. Ein Kommentar
von Benedikt Dittrich · 3. Juni 2021
Klimaschutz nur über den Spritpreis – das würde die falschen treffen.
Klimaschutz nur über den Spritpreis – das würde die falschen treffen.

„Es wird alles immer teurer.“ Dieser Spruch ist gefühlt so alt wie die Bundesrepublik selbst, wahrscheinlich sogar älter. Und er gilt auch und gerade für den Spritpreis. Trotz deutlicher Preisschwankungen für den Rohstoff Öl ist aufgrund von Steuern und Abgaben, zuletzt dem CO2-Preis, der Preis für eine Tankfüllung stetig gestiegen. Und er wird auch weiter steigen, so sieht es auch der Klimaschutz-Plan der großen Koalition vor. Doch den Grünen geht das nicht schnell genug. Sie wollen den Preis für Benzin möglichst schnell möglichst deutlich erhöhen. Ein Plus von 16 Cent pro Liter brachten Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock zusammen mit dem Co-Vorsitzenden Robert Habeck nun ins Spiel. Das wären bei dem aktuellen Preis rund 1,70 Euro pro Liter Benzin.

Für diese klare Ansage muss man den Grünen eigentlich dankbar sein. Denn damit haben sie eine Antwort auf die Frage gegeben, wer aus ihrer Sicht den Klimaschutz bezahlen soll: Alle Verbraucher*innen, die tanken müssen. Ohne Unterschied vom Einkommen, egal aus welchem Grund sie oder er ein Auto mit Verbrennungsmotor fährt oder fahren muss. Es zahlen erstmal alle – und zwar ordentlich.

Klimaschutz nicht auf Kosten der Gerechtigkeit

Und genau da liegt das Problem. Denn wer jetzt den Spritpreis massiv erhöht, produziert erstmal nur eines: wachsende Ungerechtigkeit. Denn höhere Kosten an der Tankstelle treffen eben alle, die mobil sein müssen oder sein wollen. Getroffen werden alle, die auf ein Auto angewiesen sind. Sei es, weil ihr Beruf es erfordert odere weil sie in ländlichen Regionen ohne funktionierenden öffentlichen Nahverkehr wohnen. Und das sind zu einem überwiegenden Teil nicht die Topverdiener*innen. Es sind nicht die, die eher von zuhause aus arbeiten können oder die gut genug verdienen, um sich eine Wohnung in der großen Stadt, in der Nähe zum Arbeitsplatz leisten können. Es sind eher die Pfleger*innen, Kellner*innen, Verkäufer*innen.

Die Besitzer*innen von großen Sportwagen, die ohnehin genug Geld für ihren Lebensstil haben, dürfte das weniger jucken. Aber was machen die Menschen aus der Mittelschicht, aus dem Niedriglohnsektor, für die steigende Spritkosten direkte Auswirkungen auf das Haushaltsbudget haben? Kaufen die dann 2022 alle E-Autos, um Kosten zu sparen, ziehen sie um oder wechseln sie ihren Job? Und montieren sie sich Solarzellen aufs Dach, mitsamt Ladeinfrastruktur für Zuhause, um die Autobatterie klimaneutral und kostengünstig aufzuladen?

Wohl kaum. Denn bei vielen ist vermutlich weder das alte Auto bereits abbezahlt, noch besitzen sie ein Haus, auf dessen Dach sie eine Photovoltaik-Anlage bauen könnten. Von den Kosten für all das ganz zu schweigen. Auch kann nicht jede*r einfach auf einen Arbeitsplatz wechseln, der kein Auto erfordert oder sich eine Wohnung in Arbeitsplatznähe leisten. Stattdessen werden all jene, die keine Wahl haben, auf dem Kassenbon an der Tankstelle feststellen: Die Grünen lassen mich für den Klimaschutz blechen. Das schafft – wie es SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz in einer ersten Reaktion kommentierte – vor allem Frust statt Klimaschutz.

Es ist unstrittig, dass es echten Klimaschutz nicht zum Nulltarif gibt. Auf die Bundesrepublik kommen enorme Investitionskosten für die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft zu. Wir müssen gemeinsam viel leisten, viel Geld ausgeben, viel verändern. Doch das wird nicht funktionieren, wenn die Kosten dafür so schnell wie möglich den Bürger*innen aufgebürdet werden, die kaum eine Chance haben, ihr Verhalten, ihre Arbeit, ihr Leben umzustellen.

Ohne Alternative keine Lenkungswirkung

Ja, ein Preis kann eine Lenkungswirkung entfalten, darauf weist auch die SPD-Umweltministerin beim CO2-Preis immer wieder hin. Doch für eine Verhaltensänderung braucht es Zeit und echte Alternativen. Doch weder ist der öffentliche Nahverkehr bereits gut genug ausgebaut, noch haben wir eine flächendeckende Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge. Bis die breite Masse ihren Verbrennungsmotor ganz abstellen kann, muss es beides geben. Von den derzeit noch hohen Anschaffungskosten für ein E-Auto und den Produktionskapazitäten in der Industrie ganz zu schweigen.

Im schlimmsten Fall könnte ein übereilter Abschied vom Benziner womöglich einen gegenteiligen Effekt haben: Ein Großteil der klimaschädlichen Emissionen fällt nämlich beim Bau von Fahrzeugen an – das gilt für Verbrenner wie für E-Autos. Wer jetzt also einen noch fahrtüchtigen Benziner durch ein neues E-Auto ersetzt, verursacht erstmal zusätzliche CO2-Emissionen in der Produktion, obwohl „der alte“ noch ein paar Jahre fahren würde. Wer hingegen sein altes Auto noch so lange wie möglich weiterfährt, ist zwar auch nicht klimaneutral unterwegs, aber immerhin nachhaltig.

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

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