Meinung

Einkommen im Alter: Wie Renten besteuert werden

Aktuelle Schlagzeilen zum Thema Rente lesen sich, als hätte der Gesetzgeber eine neue „Rentensteuer“ erfunden. Das stimmt aber nicht, sagt Lothar Binding. Renten werden nur einmal besteuert, allerdings ändert sich der Zeitpunkt der Besteuerung. Warum das ein Vorteil für Arbeitnehmer ist, erklärt der SPD-Politiker hier.
von Lothar Binding · 18. November 2019
Lothar Binding
Lothar Binding

Ein schöner Erfolg: Mit der neuen Grundrente, Hubertus Heil nennt sie treffend „Respektrente“, sollen alle Rentnerinnen und Rentner künftig einen Zuschlag auf die Grundsicherung bekommen, wenn sie 35 Jahre lang entsprechende Beitragsleistung geleistet haben.

Gibt es eine neue „Rentensteuer“?

Doch es gibt derzeit auch andere Schlagzeilen zum Thema Rente zu lesen – wie jedes Jahr, wenn die nächste Steuererklärung näher rückt. „Immer mehr Rentner müssen Steuern zahlen“ schreibt „t-online.de“ am 1. November 2019. Was hat es damit auf sich? Hat der Gesetzgeber plötzlich eine „Rentensteuer“ erfunden, wie es die „Süddeutsche Zeitung“ am 1. November 2019 formuliert? Wenn wir dem „Münchner Merkur“ vom 29. Oktober 2019 glauben, „kassiert“ der Staat „kräftig ab“. Mit diesen Formulierungen wird behauptet, der „gefräßige Steuerstaat“ würde Renten neuerdings besteuern, um mehr Geld einzunehmen. Das verkauft sich gut, ist aber falsch. Schauen wir mal genauer hin.

Bis 2004 wurden Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, berufsständischen Versorgungswerken und der Alterssicherung der Landwirte nur mit dem sogenannten Ertragsanteil besteuert, während die Pensionen von Beamten und die Renten aus betrieblicher Altersvorsorge in voller Höhe besteuert wurden.

Renten werden nur einmal versteuert

Seit dem 1. Januar 2005 gilt das Alterseinkünftegesetz. Das war unsere Antwort auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das 2002 die unterschiedliche Besteuerung von Beamtenpensionen und Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung für verfassungswidrig erklärt hat: Beamte bezahlen Steuern auf ihre Pension, Rentner bezahlen sie nicht. Merkwürdigerweise hat das Gericht weitere Unterschiede zwischen den Systemen Pension und Rente nicht genauer betrachtet.

Natürlich soll jedes Einkommen nur einmal versteuert werden. Also entweder kommen die Rentenversicherungsbeiträge aus versteuertem Einkommen, dann ist dieser Teil der Rente später steuerfrei, oder die Einzahlung kommt aus unversteuertem Einkommen, dann muss später die Rente versteuert werden. Wir haben uns für die günstigere Variante für die Arbeitnehmer entschieden:

Zeitpunkt der Besteuerung ändert sich

Gesetzliche Renten werden künftig wie Beamtenpension nachgelagert besteuert, also dann, wenn sie ausgezahlt werden. Im Gegenzug können die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung während der Erwerbsphase als Sonderausgaben steuermindernd geltend gemacht werden.

Es ändert sich also lediglich der Zeitpunkt der Besteuerung. Das ist zum Vorteil jedes und jeder Einzelnen, weil wir eine progressive Einkommensteuer haben: je höher das Einkommen, umso höher der Steuertarif, also der Steuersatz in Prozent. Und weil das Einkommen im Regelfall in der Rentenzeit geringer ist als während der aktiven Arbeitsphase, ist die nachgelagerte Besteuerung günstiger.

Umstellung in den Jahren 2005 bis 2040

Um eine Zweifachbesteuerung zu vermeiden, erfolgt die Umstellung auf die nachgelagerte Besteuerung von Renten nicht auf einen Schlag, sondern schrittweise in einer Übergangsphase zwischen 2005 und 2040. Dann wird eine Gleichbehandlung von Renten und Beamtenpensionen erreicht, denn es gilt die gleiche Systematik.

Höhere Steuern: Bei einem Rentenbeginn bis einschließlich des Jahres 2005 sind 50 Prozent der Rente steuerpflichtig und 50 Prozent steuerfrei. Für später beginnende Renten steigt der steuerpflichtige Teil bis 2020 um zwei Prozent pro Jahr und anschließend um ein Prozent, bis er im Jahr 2040, wie bei den Pensionen die 100 Prozent erreicht hat.

Niedrigere Steuern: In der Erwerbsphase konnten im Jahr 2005 mit dem Alterseinkünftegesetz 60 Prozent der eingezahlten Beiträge als Sonderausgaben abgezogen werden. In den Folgejahren steigt dieser Anteil jährlich um zwei Prozent. Im Jahr 2025 können die Beiträge dann zu 100 Prozent als Sonderausgaben berücksichtigt werden.

Besser für Arbeitnehmer

Der eben beschriebene Wechsel in die nachgelagerte Besteuerung von Renten sorgt also einerseits für eine jährlich sinkende Steuer in der Erwerbsphase, andererseits bezahlen mehr Rentnerinnen und Rentner auf einen Teil ihrer Rente Steuern. Dabei ist die volle Ersparnis schon 2025 erreicht, die volle Besteuerung erst 2040.

Der Wahrheitsgehalt der oben erwähnten Überschrift im „Münchner Merkur“ zeigt also einmal mehr, dass in manchen Medien die Lust am Spektakel die Pflicht zur Information deutlich überwiegt.

Steuer auf Renten in 2019

Die Besteuerung der Rente erfolgt mit dem persönlichen Durchschnittsteuersatz, der sich aus dem Einkommensteuertarif ergibt. Hierbei wird zunächst der sogenannte Grundfreibetrag berücksichtig, der das Existenzminimum steuerfrei stellt. Darüber hinaus wirken noch die Pauschbeträge für Werbungskosten und Sonderausgaben sowie die abzugsfähigen Vorsorgeaufwendungen steuermindernd.

Was bedeutet das Ganze konkret? Eine Rentnerin die im Jahr 2019 in Rente gegangen ist, muss 78 Prozent ihrer Rente versteuern. Der Grundfreibetrag liegt in diesem Jahr bei 9.168 Euro. Unter Berücksichtigung der abzugsfähigen Pauschbeträge und Vorsorgeaufwendungen muss die Rentnerin bis zu einer Bruttojahresrente in Höhe von 13.758 Euro gar keine Einkommensteuer bezahlen. Liegt die Rente über diesem Betrag, muss sie Einkommensteuer bezahlen, aber nur für jeden zusätzlichen Euro.

Anzahl steuerpflichtiger Renten steigt

Die Rentenversicherungsträger melden dem Finanzamt automatisch in welcher Höhe eine Rentenzahlung erfolgt ist. Das erfolgt über die zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen. Das Finanzamt prüft dann, ob eine Steuerpflicht besteht. Da die Zahl der steuerpflichtigen Rentnerinnen und Rentner steigt, werden auch mehr Steuererklärungen abgegeben.

Um den zeitlichen Aufwand zu reduzieren, hat das Bundesministerium der Finanzen gemeinsam mit den Ländern Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen ein Pilotprojekt gestartet. Sämtliche Informationen, die das Finanzamt bereits elektronisch erhalten hat, sind bereits in einem Vordruck enthalten. Es wünschenswert, dass die übrigen Länder nachziehen.

Was die Sozialdemokratie fordert

Ausblick – zurück zur Grundrente: In dieser Koalition war mehr nicht möglich. Sozialdemokratisch ist natürlich mehr: Um Altersarmut systematisch zu vermeiden, müssen die Rentenansprüche für alle mit geringen Einkommen erhöht werden. Das bedeutet, dass Arbeitnehmer mit niedrigen Löhnen proportional mehr für ihre Einzahlung in die Gesetzliche Rentenversicherung erhalten, als jene mit höheren Einkommen. Der Ökonom Marcel Fratscher vom DIW rechtfertigt dies mit einer einfachen plausiblen Erklärung: Menschen mit geringen Einkommen bzw. Löhnen leben deutlich kürzer.

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Lothar Binding

war von 1998 bis 2021 Abgeordneter der SPD-Bundestagsfraktion und seit 2012 ihr finanzpolitischer Sprecher. Seit 2017 ist er Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft SPD 60 plus.

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