Meinung

Einigung auf EU-Kommissionspräsident: Triumph der Demokratie-Zerstörer

Der Europäische Rat hat Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin nominiert. Das ist ein herber Rückschlag für die europäische Demokratie und ein Triumph für die Rechtspopulisten in Europa.
von Karin Nink · 3. Juli 2019
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Was die Staats-und Regierungschefs ­ allen voran der französische Präsident Emmanuel Macron und Kanzlerin Angela Merkel ­ in Sachen Kommissionspräsident abgeliefert haben, ist eine Bankrotterklärung für eine fortschrittliche EU und ein Triumph für die Rechtspopulisten in Europa.

Ursula von der Leyen nach oben entsorgt

Statt sich auf einen der wahlkämpfenden Spitzenkandidaten zu einigen, die von Millionen Europäerinnen und Europäern gewählt wurden, zaubern sie aus ihrer clandestinen Kiste eine ganz neue, nie zur Wahl gestandene Kandidatin: Ursula von der Leyen, angeschlagene deutsche Verteidigungsministerin, die wegen der nicht ordnungsgemäßen Vergabe von hochteuren Beraterverträgen einen Untersuchungsausschuss am Bein hat. Entsorgt nach oben quasi. Das Frauenargument, das jetzt noch ins Feld geführt wird, um dieses groteske Wegloben zu rechtfertigen, ist in diesem Fall mindestens fade und billig.

Wählerinnen und Wähler müssen sich getäuscht fühlen. Die wahlkämpfenden europäischen Parteien und ihre Kandidaten haben viel Geld, Kraft und Zeit in den Wahlkampf gesteckt, um die Bürgerinnen und Bürgern davon zu überzeugen, dass die EU kein Technokraten- Apparat ist, sondern unser gemeinsames, Wohlstand und Frieden stiftendes Projekt. Manfred Weber und Frans Timmermans, aber auch das grüne Spitzenkandidaten-Duo Ska Keller und Bas Eickhout sind wochenlang quer durch Europa gereist und haben für eine demokratische Union geworben.

Timmermans kämpfte für Rechtsstaatlichkeit

Die absolute Mehrheit hat keiner der Spitzenkandidaten erreicht. Deswegen passierte das, was in solchen Fällen berechtigter demokratischer Usus auf allen Ebenen ist – man sucht (Koalitions)-Partner.

Hier hatte Timmermans gegenüber Weber Vorteile, die ihn berechtigt hätten, die EU-Kommission zu führen. Doch diese wurden von den rechtspopulistischen Kräften zunichte gemacht wurde, weil Timmermans als zuständiger EU-Kommissar gegen die Einschränkung der Rechtsstaatlichkeit in Polen und Ungarn kämpfte und den dortigen Regierungen die Stirn bot.

Rückschlag für die Demokratisierung Europas

Man kann auch sagen, Merkel und Macron, die sich ursprünglich mit anderen im Europäischen Rat auf Timmermans geeinigt hatten, ließen ihn fallen, weil sie den Kotau gegenüber den Orbans und Salvinis in Europa nicht scheuten. Der Demokratisierung Europas erwiesen sie damit einen Bärendienst. Was für ein Triumph für die Demokratiezerstörer! Was für ein Rückschlag für die Demokratisierung Europas!

Jetzt bleibt nur zu hoffen, dass die Abgeordneten im Europäischen Parlament mehrheitlich diesen Vorschlag ablehnen werden und sich als das verstehen, was sie sind: Volksvertreter, nicht Handlanger des Europäischen Rates.

Europäerinnen und Europäer sollten demonstrieren

Wenn das nicht passiert, ist es mir völlig rätselhaft, wie man bei der nächsten EU-Wahl die Bürgerinnen und Bürger an die Wahlurne bekommen will. Vielleicht sollten die Bürgerinnen und Bürger die Demonstrationen von „Fridays for Future“ ausweitet zu „Fridays for Future and Europe“!

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Karin Nink

ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.

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