Eine Bedürftigkeitsprüfung bei der Grundrente wäre respektlos
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Vier von fünf Deutschen haben Angst um ihre finanzielle Situation im Alter. Mehr als drei Viertel der 1.000 für eine Studie Befragten sehen in der Rente ihre größte Hauptsorge. Das sind Ergebnisse aus einer kürzlich veröffentlichten Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) über die größten wirtschaftlichen und sozialen Ängste in Deutschland.
Die Rentenreform von 2001 ist gescheitert
Die Zahlen stehen nicht für gefühlte Ängste, sondern für Emotionen, die auf Erfahrungswerten und realistischen Einschätzungen der eigenen Situation als Rentnerin oder Rentner basieren. Zur Erinnerung: Deutschland gab 2001 mit seiner damaligen Rentenreform das Ziel der Lebensstandardsicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung auf und senkte das Leistungsniveau der Rente langfristig ab. Lücken sollten private Altersvorsorge-Produkte wie die „Riester-Rente“ schließen. Dass diese Reform mehr geschadet als genutzt hat, zeigt sich seit vielen Jahren: brachliegende Riester-Verträge, zunehmende Altersarmut und endlose Debatten darüber, wie Rentner besser gestellt werden könnten. Wir sprechen dabei über Menschen, die Jahrzehnte gearbeitet haben, im Alter aber trotzdem nur eine Rente unter Grundsicherungsniveau bekommen.
Für diese Menschen hat Bundessozialminister Hubertus Heil das Konzept der Grundrente entwickelt, die zwei Ideen miteinander verbindet: Sie ist ein Zeichen von Respekt vor der Lebensleistung von Menschen und sie soll vor Altersarmut schützen. Die Grundrente ist ein Fortschritt gegenüber dem Ist-Zustand, denn bisher galt: Wer jahrzehntelang, wenn auch wenig, in die Rentenkasse eingezahlt hat, bekommt – wenn er oder sie auf diese Leistung angewiesen ist – denselben Grundsicherungssatz wie jemand, der nie einbezahlt hat.
Der VdK lehnt eine Bedürftigkeitsprüfung klar ab
Zugang zu einer Grundrente von rund 900 Euro sollen diejenigen erhalten, die 35 Beitragsjahre in die gesetzliche Rentenkasse eingezahlt haben – Zeiten der Kindererziehung und der Pflege zählen dazu. Unerheblich soll sein, ob in Teil- oder Vollzeit gearbeitet wurde. Das Bundessozialministerium gibt an, dass vier Millionen Berechtigte, davon drei Viertel Frauen, von der Grundrente profitieren könnten.
Strittig ist derzeit aber vor allem, ob die Grundrente nur diejenigen bekommen sollen, die ihre Bedürftigkeit nachweisen. Der Sozialverband VdK lehnt eine Bedürftigkeitsprüfung klar ab, denn es ist das zentrale Element des Grundrenten-Konzepts, dass vielen Geringverdienern im Alter der Gang zum Sozialamt nach einem Leben voller Arbeit erspart werden soll. Damit wird übrigens auch den Menschen geholfen, die sich bisher in einer sogenannten verschämten Altersarmut befinden, weil sie nicht auf staatliche Almosen oder Hilfe der Familien angewiesen sein wollen. Das trifft laut einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) auf 74 Prozent der Grundsicherungsberechtigten zu.
Respekt vor der Lebensleistung von Menschen
Mit einer Bedürftigkeitsprüfung würden Millionen Rentner nach 35 Beitragsjahren zu Fürsorgeempfängern degradiert, denn die entwürdigende Prüfungspraxis, wie man sie etwa von Hartz IV und aus den Jobcentern kennt, würde dann auch beim Rentenantrag greifen. Bei einer staatlichen Leistung wie Hartz IV wird das gesamte Haushaltsvermögen und -einkommen geprüft, besitzen darf man nur einen Betrag von 5.000 Euro. Sogar das Einkommen der Kinder oder Eltern wird überprüft. Wenn zum Beispiel das Einkommen eines Kindes 100.000 Euro überschreitet, haben die Eltern kein Recht auf die Grundsicherung im Alter, sondern sind finanziell von ihren Kindern abhängig – und das nach einem Leben voller Arbeit. Wo bleibt da der Respekt vor der Lebensleistung von Menschen?
Dass ein solcher Mangel an Respekt auch politische Implikationen und Folgen hätte und bereits hat, liegt auf der Hand. Ein System, das Arbeit und Arbeitende herabsetzt und Altersarmut zulässt, hat ein Legitimationsproblem. Auch deshalb ist es an der Zeit, Löhne und Gehälter endlich anzuheben. Sie sind viel zu niedrig und eben das ist ein Grund, warum wir überhaupt über eine Grundrente sprechen. Wir müssen Entgelte so gestalten, dass es keine Geringverdiener mehr gibt und damit auch niemanden mehr, der sich im Alter vor Armut fürchten muss.