Ein humanitärer, aber realistischer Kompromiss
Wäre die Lage nicht so ernst, könnte man die Einigung des Asylkompromisses mit einem lapdidaren „Geht doch!“ kommentieren.
Doch im Vorfeld dieser Einigung hat die CSU mit ihrem Vorsitzenden, Bundesinnenminister Horst Seehofer, aufs Massivste das Vertrauen der Wähler in die Politik beschädigt. Aus parteiinternem Machtkalkül und in dem irrsinnigen Glauben, so den Rechtsextremen Wählerstimmen abjagen zu können, haben die CSU-Granden, Söder, Seehofer und Dobrindt mit ihren nationalpopulistischen Tönen eine Staatskrise und einen möglichen Sturz der Regierung billigend in Kauf genommen. Von dem möglichen Schaden für die Europäische Union ganz zu schweigen.
Es geht auf die ordentliche und konstruktive Arbeit der SPD-Spitze zurück, dass nun ein Kompromiss in der Asylpolitik gefunden wurde, der weiterführend und für alle Koalitionsparteien tragbar ist. Die SPD legte gestern ein neues Papier vor, das deutsche Alleingänge in Europa verhindert. Eine ganz wichtige Entscheidung im Hinblick auf ein vereintes Europa!
Der gefundene Kompromiss ist in der Tat „humanitär“ und „realistisch“ zugleich. Humanitär auch deswegen, weil es endlich und noch in diesem Jahr ein vernünftiges Einwanderungsgesetz geben soll, das noch einen anderen Weg der Zuwanderung nach Deutschland eröffnet. Humanitär ist der Kompromiss aber auch, weil es keine geschlossenen Transitzentren geben wird, wie die CSU sie in Aussicht gestellt hatte.
Realistisch ist die Einigung, weil sie dafür sorgen soll, dass Menschen, die in Deutschland keine Chance auf ein Bleiberecht haben, zügig wieder zurückgeschickt werden. Das betrifft die so genannte „Sekundärmigration“. Letztlich wird damit auch Rücksicht genommen auf die – und das lässt sich bei allem guten Willen nicht mehr leugnen – wachsende Sorge in der Bevölkerung. Zum anderen wird so aber auch verhindert, dass Menschen zurückgewiesen werden, die schon relativ lange in Deutschland leben und dadurch natürlich zunehmend hoffen, doch irgendwie bleiben zu können.
Gesetzesänderungen sind für diesen Kompromiss nicht notwendig. Aber Horst Seehofer muss jetzt endlich liefern und als Bundesinnenminister seine Hausaufgaben machen. Denn seine Behörde hat nun – nicht zuletzt auf Drängen der SPD – die Verantwortung für die „Rückführung“, sprich Abschiebung , übernommen. Bisher waren für die Ausführung kommunalen Ausländerbehörden zuständig, was vieles komplizierter machte.
Seehofer muss aber auch bei den europäischen Partnern für den Kompromiss werben und bilaterale Abkommen erreichen. Dafür muss er in die verschiedenen Länder reisen, aber auch am EU-Innenministerrat teilnehmen. Dass er das bisher nicht getan hat, sagt einiges über sein Verhältnis zur Europäischen Union.
Eines muss – gerade nach der jüngsten Äußerung von Seehofer – aber auch klar sein: Es darf in dieser Regierung keine weiteren Nachverhandlungen über die Asylpolitik geben, die entscheidenden Punkte stehen. Wenn Seehofer nicht liefert, ist das sein Problem, und die Kanzlerin muss Konsequenzen daraus ziehen. Die Sozialdemokratie sollte sich ihren Erfolg nicht zerreden (lassen).
ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.