Die Energiekrise meistern: Wie wir gemeinsam durch den Winter kommen
IMAGO/Christian Ohde
Langsam wird es ernst. Nachdem nun die Höhe der umstrittenen Gasumlage bekannt gemacht wurde, mit der die Lasten der Preisexplosion auf dem Gasmarkt nunmehr auf alle Kund*innen verteilt wird, kann sich jeder Haushalt ausrechnen, welche Kostenlawine ab Oktober auf ihn zurollt. Eines ist klar, der Krieg in der Ukraine, der Energie zur Waffe hat werden lassen, macht uns kurzfristig alle ärmer, weil wir erheblich höhere Kosten für unsere Lebenshaltung tragen müssen. Nur wenige werden diesen ökonomischen Rückschlag ohne Mühe verkraften. Die meisten werden leiden und für manche wird die finanzielle Last viel zu schwer sein.
(Durchgerechnet: Wie viel die Gasumlage pro Haushalt kostet)
In dieser Krise muss sich sozialdemokratische Wirtschaftspolitik erneut bewähren. Denn niemand sollte mit diesen finanziellen Herausforderungen allein gelassen werden, wir müssen als Gesellschaft gemeinsam durch diese Krise gehen. Dabei gilt es einen Dreiklang aus finanzieller Sicherheit, Sparanreizen und Solidarität zu treffen. Es liegen schon länger Vorschläge nicht zuletzt von Mitgliedern des Wirtschaftspolitischen Beirats der SPD vor, die einen solidarischen Weg durch diese Krise weisen. Mit deren Hilfe können wir die Herausforderung dieses Winters bestehen und danach schnellstmöglich überwinden. Hierzu sind mehrere Schritte notwendig.
Unterstützung muss schnell kommen
Nachdem nun die höheren Kosten zumindest für die nächsten drei Monate offenkundig sind, muss nun so schnell als möglich die Unterstützung folgen. Am besten wäre, jedem Haushalt ein Mindestkontingent an Gas zu einem tragfähigen Preis zuzusichern wie dies von Isabella Weber und Sebastian Dullien vorgeschlagen wird. Als Basis könnte man den Durchschnittsverbrauch und den Durchschnittspreis der Jahre 2019/2020 nehmen.
Um aber deutlich spürbar zu machen, dass Gas gespart werden muss, sollte ein Abschlag auf den Verbrauch von 20 Prozent vorgenommen werden. Wer mehr spart, sollte sogar eine Prämie bekommen wie es Nina Scheer und Jens Suedekum angeregt haben. Damit wäre allen Haushalten die Sicherheit gegeben, zumindest eine finanziell leistbare Basisversorgung zu bekommen. Wer mehr als die Basisversorgung verbraucht, zahlt hierfür den Marktpreis nebst Umlage.
(Energiesparbonus: Wie die Prämie von Nina Scheer und Jens Suedekum funktionieren würde)
Nicht auszuschließen ist, dass trotz dieser Absicherung Haushalte mit niedrigem Einkommen immer noch Unterstützung benötigen. Dies könnte über eine entsprechende Reform des Wohngeldes, die bereits von der Bundesregierung angekündigt ist, geschehen.
Zur Entlastung muss der Bund einspringen
Und wer soll das bezahlen? Die Differenz, die sich aus dieser verbilligten Versorgung mit Gas zum Marktpreis ergibt, sollte der Bund übernehmen. Die Kosten dürften sich je nach Marktpreis im niedrigen zweistelligen Milliardenbereich bewegen und je mehr Gas gespart wird, desto geringer sind sie.
Gerecht wäre es, wenn die Kosten am Ende von jenen übernommen würden, die von dieser Krise profitieren. Das sind vor allem Unternehmen im Energiesektor, die die gegenwärtige Knappheit zur Erhöhung ihrer Gewinnmargen nutzen. Diese sollte man mit einer Übergewinnsteuer belegen wie auch von Lars Klingbeil vorgeschlagen wurde. Hiervon sollten sie sich nur befreien können, wenn sie in erneuerbare Energien investieren, um damit den Abschied von einer unsicheren und klimaschädlichen Energieversorgung beschleunigen. Damit würden jene, die von der Krise profitieren denen helfen, die unter ihr leiden.
Die Debatte wird weitergehen
Wir stehen vor einem Winter der Bewährung. Die Erpressungen und Fehlinformationen aus dem Hause Putin, die die gesellschaftliche Zustimmung zur Unterstützung der Ukraine unterminieren sollen, werden uns in dieser Zeit begleiten. Aber allen sollte klar sein, dass ein Nachgeben die Abhängigkeit von Russland in Zukunft erhöhen und damit höhere Preise für Gas zementieren würde. Eine schnelle, glaubwürdige Abkehr vom russischen Gas und generell von fossilen Energieträgern wird hingegen dafür sorgen, dass der derzeit spekulativ überhöhte Preis für Gas bald wieder fällt.
Bis dahin muss aber um den gesellschaftlichen Zusammenhalt gerungen werden. Das geht nur, wenn das knappe Gas sparsam und gerecht verteilt wird. Gelingt uns dies, wird die Spekulationsblase um das Gas platzen, die Preise werden fallen und wir werden wieder mehr Wohlstand haben. Weil wir solidarisch waren.
ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Er gründete und war von 2005 bis 2019 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.