Die Antwort auf Corona heißt Solidarität
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Von Heldinnen und Helden des Alltags ist dieser Tage viel die Rede. Und von der Solidarität der Menschen untereinander. In der Tat hat es ja in Zeiten der Corona-Epidemie etwas Tröstliches, dass die Arbeit der Kassierer*innen, der Pfleger*innen (es sind in beiden Fällen überwiegend Frauen) aber auch der Polizist*innen und Rettungssanitäter*innen sowie der Ärzt*innen und des Krankenpflegepersonals nicht als selbstverständlich hingenommen, sondern gelobt werden.
Wenigstens ein wenig öffentlicher Respekt ist ihnen damit sicher – und wenn sie viel Glück haben, bekommen sie eine bescheidene Einmalzahlung für ihr Abrackern in harten und auch gesundheitsgefährdenden Zeiten. Aber dann hört es mit dem Respekt auch schon wieder auf. Denn wenn der Handelsverband jetzt eine Verzögerung der Tariferhöhung für Kassiererinnen ankündigt, ist das ein Skandal. Ein Skandal, den aber keiner bemerkt oder bemerken will. Denn: Wo bleibt der Aufschrei? Wo die Solidarität diesen Frauen und Männern gegenüber? Sie beweisen sie uns gegenüber täglich?
Wir brauchen einander
Wenn diese furchtbare Pandemie, die weltweit zu einer veritablen sozialen und wirtschaftlichen Krise ausgewachsen ist, uns etwas lehrt, dann doch dieses: Wir sind aufeinander angewiesen, wir brauchen einander. Im Kleinen wie im Großen. Die großen neoliberalen Ideen und Visionen lösen sich spätestens jetzt in Schall und Rauch auf. Man muss sich nur das kaputt gesparte Gesundheitssystem in Spanien anschauen und die Hilflosigkeit der britischen und amerikanischen Regierung gegenüber der Pandemie. Es reicht eben nicht, wenn jeder an sich selber denkt. Das Schlüsselwort unserer Gegenwart heißt Solidarität, einer der sozialdemokratischen Grundwerte.
Im Kleinen geht es um Nachbarschaftshilfe, um Unterstützung für die, die jetzt umso mehr unsere Hilfe brauchen wie zum Beispiel die Kinder, die die Berliner „Arche“ betreut. Oder die Armen, die nicht mehr zur Tafel gehen können, die Obdachlosen oder einfach die Einsamen, die jetzt noch mehr alleine sind.
Die richtigen Konsequenzen aus der Krise ziehen
Solidarität heißt aber auch, dass all jene Held*innen des Alltags nach der Krise nicht wieder vergessen werden, sondern endlich einen ordentlichen, ihrer Arbeit gerechten Lohn bekommen. Nur wenn das passiert, zeigt unsere gesamte Gesellschaft und damit wir alle, dass wir aus der Corona-Pandemie gelernt haben und die richtigen Konsequenzen ziehen werden. Wenn die Tarifparteien das nicht hinkriegen, muss der Staat eingreifen. Das mag nicht opportun sein, aber wir erleben gerade, dass es hier um systemrelevante Berufe geht. Denn diese (überwiegend) Frauen und Männer bilden das Fundament unserer bis dato weitgehend funktionierenden Gesellschaft. Da muss vieles möglich sein.
Wir brauchen einander aber auch im Großen. Wir Europäer müssen endlich begreifen, dass wir als Staaten aufeinander angewiesen sind und dass wir zusammengehören. Das wir alle der Solidarität untereinander auch auf dieser Ebene bedürfen. Die apokalyptischen Zustände in den Krankenhäusern von Spanien oder im Norden Italiens machen auf beschämende Art und Weise deutlich, dass sich die Europäische Union immer noch eher als Wirtschaftsgemeinschaft denn als Wertegemeinschaft verhält. Wenn es Geld zu verdienen gibt, stehen wir zusammen.
Wenn einzelne Länder in Not geraten, sollen die erstmal sehen, wie sie klarkommen. Die Hilfe für diese beiden europäischen Länder als auch für Frankreich ist viel zu langsam angelaufen. Die Kommentare vor allem in den sozialen Medien darüber, ob wir lebensbedrohlich Erkrankte aus Frankreich, Spanien und Italien behandeln sollen, sind einfach nur erbärmlich.
Die EU muss jetzt zusammenstehen
Dabei geht es nur auf den ersten Blick um reine Menschlichkeit. Die mangelnde Solidarität untereinander wird aber auch wirtschaftliche Folgen haben, die erneut zu menschlicher Not führen wird. Wir zahlen wir schon in der aktuellen Krise einen brutalen Preis dafür, dass es offenbar keinen europaweiten Katastrophenplan mit entsprechender Vorbereitung für eine Pandemie gibt, obwohl vor dieser Gefahr schon länger gewarnt wurde. Denn sonst hätte die Europäische Kommission mit Ursula von der Leyen an der Spitze früher aufwachen müssen und es hätte mit der „europäischen Solidarität“, die auch die Kommissions-Präsidentin jetzt so sehr betont, besser geklappt.
Die durch ein einziges Virus verursachte wirtschaftliche und menschliche Katastrophe sollte uns endgültig klar machen: Wenn wir als demokratische europäische Familie in der EU nicht zusammenstehen, nicht auf allen Ebenen solidarisch miteinander sind, werden wir weltweit bald zu den Schwächeren gehören, die auf die Solidarität anderer – autoritärer – Gesellschaftsformen angewiesen sein werden.
Wollen wir das?
ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.