Meinung

Der Mietendeckel – das radikale Instrument der Wohnungspolitik

Seit dem Wochenende redet das halbe Land über Enteignungen als Mittel der Wohnungspolitik. Ein Mietendeckel wäre allerdings das effektivere und schnell umsetzbare Instrument, um den Mieterinnen und Mietern in den Ballungsräumen der Republik zu helfen.
von Julian Zado · 12. April 2019
Die Mieten in Ballungszentren wie Berlin einfrieren: Das soll ein Mietendeckel möglich machen.
Die Mieten in Ballungszentren wie Berlin einfrieren: Das soll ein Mietendeckel möglich machen.

Am vergangenen Wochenende wäre der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck beinahe in die Verlegenheit gekommen, erklären zu müssen, warum ausgerechnet sein eigener Landesverband der Abschaffung der Mietpreisbremse für Schleswig-Holstein zugestimmt hat. Dazu kam es aber nicht, weil es Habeck geschickt verstand, eine Nebelkerze auszuwerfen: Auch die Enteignung von Wohnungsbeständen solle als letztes Mittel gegen die Mietpreisentwicklung nicht ausgeschlossen werden.

Hohe Mietpreise sind eine Bedrohung

Mit dieser Äußerung Habecks schwappte eine Debatte auf den Bund über, die in Berlin schon seit einigen Monaten geführt wird. Hier sammelt die Initiative „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ Unterschriften für ihr Anliegen, große Immobilienunternehmen gegen Entschädigung zu enteignen und erfährt dabei großen Zuspruch. Angesichts der heftigen Preisentwicklung auf dem Berliner Wohnungsmarkt ist das Anliegen der Initiative auch völlig nachvollziehbar: Galt im Jahr 2010 noch Leerstand als größtes wohnungspolitisches Problem in Berlin, sind die Mietpreise in den vergangenen fünf Jahren in schwindelerregende Höhen geschossen und bedrohen die Lebensgrundlage vieler Menschen.

Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, muss jedes Mittel in den Blick genommen werden. Dazu gehört natürlich auch Artikel 15 des Grundgesetzes, der die Vergesellschaftung von Grund und Boden gegen Entschädigungszahlung prinzipiell erlaubt. Der Ruf nach „Enteignungen“ ist also weder per se unseriös noch unverständlich. Im Gegenteil: Die öffentliche Debatte über dieses Instrument wurde nicht nur durch maßlos steigende Mieten befeuert, sondern auch durch das zum Teil mieter-unfreundliche und rücksichtslose Gebaren einiger großer Wohnungs-Konzerne in Berlin.

„Vergesellschaftungen“ werfen Fragen auf

Doch bloß weil ein Instrument prinzipiell zur Verfügung steht und die Wut auf Profitgier berechtigt ist, heißt das noch nicht, dass dieses Instrument in der gegenwärtigen Lage auch die Probleme löst. Denn „Vergesellschaftungen“ haben Nachteile. Sie bergen verfassungsrechtliche Risiken, die Höhe der Entschädigungskosten ist nicht voraussehbar und es besteht Unsicherheit darüber, mit welchen Ressourcen das Berlin in kurzer Zeit hunderttausende Wohnungen zusätzlich verwalten und instandhalten soll.

Auf all diese Fragen mag es Antworten geben, sie zu finden wird jedoch viele Jahre dauern und die ohnehin überlastete Verwaltung blockieren. Man darf sich also nicht der Illusion hingeben, durch eine Vergesellschaftung könnte das Wohnungsproblem in absehbarer Zeit gelöst werden. Gleichzeitig kostet sie viel Zeit, Geld und Kraft.

Ein Mietendeckel wäre effektiver

Viel effektiver, weitreichender und daher radikaler wäre vor diesem Hintergrund die sofortige Einführung eines Mietendeckels, für den die Länder sich auf eine bisher ungenutzte Gesetzgebungskompetenz stützen könnten.

Ein solcher Mietendeckel hätte nach unserer Vorstellung den Effekt, dass die Mietpreise in laufenden Verträgen eingefroren werden und auch bei Neuvermietungen eine Deckelung erfolgt. Eine solche Regelung würde zunächst für fünf Jahre gelten – mit der Option einer Verlängerung, wenn sich die Preise nicht nachhaltig entspannt haben. Sie wäre gerechtfertigt, weil sich Wohnungen angesichts der Mietentwicklung der letzten Jahre auch ohne weitere Steigerungen wirtschaftlich vermieten lassen. Der damit verbundene Eingriff in die Eigentumsfreiheit der Vermieter ist erheblich. Deshalb wird dieses Vorhaben der Berliner SPD von der Immobilien-Lobby auch massiv bekämpft.

Die Mieten einfrieren

Ein entscheidender Vorteil des Mietendeckels ist, dass er im Gegensatz zu anderen Instrumenten dort wirkt, wo die Regulierung von Mieten notwendig ist: nämlich auf dem gesamten Markt. Die durch hohe Mieten entstehende Verdrängung ist keineswegs ein Phänomen, das nur Menschen mit geringen Einkommen betrifft. Auch ganz gutverdienende Menschen, die schon jetzt überdurchschnittlich viel Miete bezahlen können, können sich die nächste Mieterhöhung nicht mehr leisten. Der Mietendeckel sorgt durch das „Einfrieren“ auf der ganzen Breite des Wohnungsmarkts für spürbare Entlastung.

Der Mietendeckel ist deshalb kein „sozialdemokratischer Kompromiss“, wie er gerade von einzelnen Stimmen der politischen Linken verunglimpft wird. Im Gegenteil: Er ist das wohl effektivste und vor allem schnellste politische Instrument, das uns zur Verfügung steht, um den Mieterinnen und Mietern in den Ballungsräumen dieses Landes zu helfen. Gleichzeitig verschafft er dem Staat die Möglichkeit, gemeinsam mit Genossenschaften und anderen gemeinwohlorientierten Akteuren endlich eine umfassende Offensive zum Bau von bezahlbarem Wohnraum einzuleiten. Gleichzeitig müssen Milliarden in die Hand genommen werden, um Außenbezirke und den ländlichen Raum durch Verkehrsinfrastruktur besser an die Städte anzubinden. Diese Strategie ist nicht nur für Berlin relevant: Sie könnte auch in allen anderen Ländern, in denen die SPD regiert oder bald regieren will, angewendet werden. Worauf warten wir?

Autor*in
Julian Zado

ist stellvertretender Vorsitzender der Berliner SPD.

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