Debatte um Uploadfilter: Webers peinlicher Zick-Zack-Kurs
Florian Gaertner/photothek.net
„Dieses Verhalten ist nicht eines Parlamentariers würdig“ – so kommentierte der EVP-Fraktionsvorsitzende Manfred Weber 2017 eine Rede von Satiriker Martin Sonneborn im Europaparlament. In diesen Tagen fallen die Worte des stellvertretenden CSU-Vorsitzenden auf ihn selbst zurück. Auf Twitter gehört seit Mittwochabend #Luegenmanni zu den beliebtesten Hashtags. Es geht mal wieder um den umstrittenen Artikel 13 der geplanten EU-Urheberrechtsrichtlinie. Was die Abstimmung darüber angeht, hat der CSU-Politiker in dieser Woche mehrfach eine peinliche Wende vollzogen.
Weber wird es zu heikel
Zunächst planten die Konservativen, die für Ende März angesetzte Abstimmung über das Urheberrecht auf kommende Woche vorzuverlegen. Damit wären sie den europaweit geplanten Demonstrationen zu diesem Thema am 23. März zuvor gekommen. „Sollen sie doch demonstrieren. Bis dahin ist sowieso schon alles beschlossen“, dachte sich offenbar Weber und hatte das Mobilisierungspotenzial sozialer Medien unterschätzt. Binnen weniger Stunden organisierten sich tausende Menschen und demonstrierten in Berlin, Frankfurt, München und anderen deutschen Städten mit Slogans wie „Wir sind keine Bots“ oder „Nie mehr CDU“.
Für die Union hatte sich schon in den vergangenen Wochen der CDU-Europaabgeordnete Axel Voss grandios blamiert. Er bezichtigte die Absender von Protestmails pauschal als Bots. Also schrieben Internetaktivisten ganz altmodisch Briefe und verschickten sie an Parlamentarier. Als sie dann auch noch auf die Straße gingen, wurde es Weber zu heikel. In einem Interview mit der ARD sagte er am Dienstagabend: „Die Abstimmung über das Urheberrecht findet Ende März wie geplant statt.“
Das Netz spricht über „Lügenmanni“
Botschaft verstanden, Kritik angekommen, könnte man meinen. Wenn, ja wenn die Konservativen nicht einen Tag später in informeller Runde noch einmal versucht hätten, die Abstimmung vorzuziehen. Dort fanden sie allerdings keine Mehrheit. Denn Udo Bullmann, Vorsitzender der S&D-Fraktion im Europaparlament, hatte den Plänen der Konservativen zuvor bereits eine Absage erteilt. Für Weber blieb Hohn und Spott in den sozialen Netzwerken unter dem Hashtag #Luegenmanni.
Doch statt sich zerknirscht in seine niederbayerische Heimat zurückzuziehen, um sein Verhalten schuldbewusst zu reflektieren, trat Weber eben dort für die CSU beim politischen Aschermittwoch auf. „Ich kann, will und werde Kommissionspräsident werden“, sagte der Spitzenkandidat der europäischen Konservativen für die kommende Europawahl im Mai. Selbstbewusste Töne. Blöd nur für ihn, dass Webers Union inzwischen für junge, netzaffine Menschen unwählbar geworden ist.
Die Union verliert junge Wähler
Die Berliner CDU-Kommunalpolitikerin Jenna Behrends warnte via Twitter: „Artikel 13 hat das Potenzial, meine Partei für eine ganze Generation eine sehr lange Zeit unwählbar werden zu lassen.“ Denn natürlich kann man Uploadfilter gut oder schlecht finden. Das gehört zum Wesen der Demokratie. Doch wie Weber und seine Konservativen in dieser Woche versucht haben, eine kritische Öffentlichkeit zu umgehen, ist einfach nur peinlich. Oder um eines mit den Worten des CSU-Abgeordneten zu sagen: eines Parlamentariers unwürdig.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo