Meinung

Corona-Impfstoffe: Warum die Kritik an der EU oft scheinheilig ist

Es gibt gute Gründe, die EU für ihren Kauf von Corona-Impfstoffen zu kritisieren. Aber wer – so wie Armin Laschet und Markus Söder – mit dem Finger auf andere zeigt, sollte bedenken, dass vier Finger zurückweisen. Kanzlerfähigkeit geht anders.
von Kay Walter · 5. Februar 2021
Sitz der EU-Kommision in Brüssel: Die Kommision hat schlicht zu lange gebraucht, um die dringend benötigten Corona-Impfstoffe zu bestellen.
Sitz der EU-Kommision in Brüssel: Die Kommision hat schlicht zu lange gebraucht, um die dringend benötigten Corona-Impfstoffe zu bestellen.

Wer den Besserwisser geben will der muss es auch besser wissen. Und tunlichst etwas von der Materie verstehen. Das möchte man all den deutschen Politikern ins Stammbuch schreiben, die nassforsch die EU für das vermeintlich von ihr verursachte „Impfchaos“ verantwortlich erklären. Wer als Ministerpräsident von NRW schon die Verteilung der vorhandenen Impfdosen nicht organisiert bekommt, hätte besser geschwiegen. Ebenso, wer als bayerischer Landesfürst von der eigenen Verwaltung für so bedürftig gehalten wird, FFP2-Masken auch umsonst zugeteilt zu bekommen. Kanzlerfähigkeit geht anders.

Um nicht missverstanden zu werden: Es gibt gute Gründe, die EU im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie zu kritisieren. Sogar einige. Aber wer mit dem Finger auf andere zeigen will, sollte bedenken, dass vier Finger zurückweisen.

Was hat die EU falsch gemacht?

Kardinalfehler der EU ist die mangelhafte Transparenz der Verträge. Weder die Öffentlichkeit, noch das EU-Parlament kennen deren genauen Wortlaut. Ein absolutes Unding. Und das rächt sich. Jetzt kann die Kommission weder hieb- und stichfest beweisen, die bestmöglichen Verträge ausgehandelt zu haben, noch die pünktliche Lieferung der bestellten Impfdosen erzwingen.

Dabei hat die EU vieles richtig gemacht. Bevor irgendjemand wissen konnte, wer letztlich erfolgreich ein Vakzin produzieren würde - Chemiegiganten wie Merck oder Sanofi sind bislang daran gescheitert – schloss die EU mit 6 Unternehmen Verträge, um so sicherzustellen, dass EU-Bürger*innen in jedem Fall geimpft werden können.. Zudem wurden die Mittel vor deren Verwendung ernsthaft und gründlich getestet. Ja: Großbritannien und die USA haben früher mit Massen-Impfungen begonnen, aber ohne diese Sicherheit. Man kann das Vertrauen nennen - in jedem Fall braucht es Glück.

Ein Blick nach Israel und in die USA

„Impfweltmeister“ Israel hat nicht nur den Vorteil, ein kleines Land zu sein, sondern auch das Dreifache bezahlt und obendrein sämtliche Gesundheitsdaten aller geimpften Personen an die Unternehmen geliefert. Das verhindert der europäische Datenschutz – zum Glück.

Viel schneller und viel mehr hätte man kaufen sollen sagen die Klugsprecher von FDP bis „Spiegel“, zur Not eben Deutschland alleine. Wenn insgesamt zu wenig Vakzine produziert werden, dann hätte das Bestellen größerer Mengen eben auch nicht geholfen. Und dass die US-Firma Pfizer so gut wie keinen in den USA hergestellten Impfstoff auf die internationalen Märkte bringen, kann man auch nicht der EU vorwerfen. Der Aufbau neuer Produktionskapazitäten wurde ausdrücklich mit- und vorfinanziert.

Impfbestellung der EU hat zu lange gedauert

Problem war allerdings das Tempo der Order. Es hat schlicht zu lange gedauert. Wer ein Hilfsprogramm von 750 Milliarden auf den Weg bringen kann, der darf beim Bestellen von Impfstoff nicht zögerlich sein.

Als Land allein voranzugehen, hätte aber niemandem genutzt: Selbst wenn die Hälfte aller Deutschen zu Lasten anderer EU-Bürger geimpft wäre, käme das Virus fröhlich über die Grenzen von Polen oder Tschechien, Belgien oder Österreich – oder auch mitgebracht aus aller Welt von denen, die nicht auf ihren Urlaub verzichten wollen.

Mangelnde Impfgeschwindigkeit ist ein deutsches Problem

Auch die Geschwindigkeit beim Impfen ist ein hausgemachtes Problem. Deutschland belegt mit seiner Impfquote von 3 Prozent international den beschämenden Rang 30, schafft es nicht einmal innerhalb der EU unter die top ten!

Dänemark hat wie Deutschland nur die Vakzine von Biontech/Pfizer und Moderna zur Verfügung, aber trotzdem bereits 5 Prozent seiner Bürger geimpft. In Dänemark muss auch kein Bürger stundenlang in nur notdürftig funktionieren Hotlines auf einen Termin warten. Alle Patientendaten sind längst digitalisiert und elektronisch gespeichert. Wer in der entsprechenden Alterskohorte oder Risikogruppe eingestuft und mithin an der Reihe ist, wird zentral benachrichtigt und zum Termin gebeten. Ganz einfach. Man darf nur nicht technisch rückständig sein. Únd auch innerhalb Deutschlands sind durchaus große Unterschiede zu verzeichnen. Die höchsten Impfquoten weisen Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz auf.

Ursula von der Leyen hat Vertrauen verspielt

Zurück zur EU: Vertrauen verspielt hat allerdings Ursula von der Leyen. Und das massiv. Spät hat sie jetzt Fehler bei der Beschaffung der Impfstoffe eingeräumt. Dennoch gilt: Wer vollmundig – und voller Pathos dazu – verkündet, dies sei „der europäische Moment“, eine Erfolgsgeschichte“ und gar von einem „berührendem der Moment der Einigkeit“ schwärmt, der muss dann auch liefern.

Aber das war ja schon als Bundesministerin nicht eben die Stärke von Ursula von der Leyen. Große Ankündigungen, aber dafür wenig praktisches Handeln. Nur kann sie jetzt nicht mehr auf einen anderen, noch höheren Posten weggelobt werden, bevor das auffliegt. Und der Versuch, auf den eigenen Vize, Handelskommissar Valdis Dombrovskis zu zeigen und dort Verantwortung abzuladen, ist einfach nur schäbig.

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