Meinung

Cannabis im Koalitionsvertrag: Wir schreiben europäische Geschichte

SPD, Grüne und FDP wollen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken erlauben. So steht es im Koalitionsvertrag. Ein überfälliger Schritt, der Signalwirkung haben dürfte, meint Burkhard Blienert.
von Burkhard Blienert · 26. November 2021
Nun heißt es Farbe bekennen: Die Ampel-Koalition will den Verkauf von Cannabis legalisieren.
Nun heißt es Farbe bekennen: Die Ampel-Koalition will den Verkauf von Cannabis legalisieren.

Nun ist es soweit. Cannabis soll legalisiert werden. So steht es im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP. Von einigen Menschen seit Jahren herbei gesehnt, von einigen befürchtet, von vielen mit Fragen, vielleicht auch Skepsis verbunden: Wie soll das funktionieren?

Brechen nun alle Dämme und werden die Schwarzseher Recht behalten, wenn nun die Büchse der Pandora geöffnet wird? Führt die Legalisierung von Cannabis nicht dazu, dass noch mehr Drogen konsumiert werden? Ist es nicht widersprüchlich, dass die Gesellschaft etwas erlaubt, was den Menschen eventuell Schaden anrichtet? Ist Cannabis eine Einstiegsdroge?

Von den Erfahrungen anderer Staaten lernen

Fakt ist, dass die jahrzehntelange Praxis der Prohibition gescheitert ist. Cannabis ist weltweit die am häufigsten konsumierte Droge. Und mit dem Konsum ist eine Kriminalisierung der Konsument*innen, eine Belastung für Polizei und Justiz sowie gesundheitliche Folgen für die Konsumierenden, gesellschaftliche Kosten, illegales Geld und organisierte Kriminalität verbunden. Häufig ist die Straßenware verdreckt und mit Schadstoffen verunreinigt. Die dort erzielten Gewinne fließen zur Zeit nicht in die Staatskasse und stehen für gesellschaftliche Aufgaben zur Verfügung, sondern in die Geldbeutel derjenigen, die mit gesellschaftlicher Verantwortung meistens nichts am Hut haben.

Wir können weltweit eine Debatte zur Legalisierung verzeichnen. Uruguay war das erste Land, Kanada und mittlerweile 18 Bundesstaaten in den USA folgten. Weitere Länder liberalisieren und legalisieren bald den Konsum. Wir lernen von den Erfahrungen anderer Staaten. Eines zeichnet sich ab: Entgegen der einfachen Behauptung, dass ein erlaubter Konsum zu mehr Konsum führt, sieht die Wirklichkeit differenzierter und nicht so schlicht aus. Das war auch zu erwarten, den die Welt ist zu unterschiedlich als dass es so einfach wäre.

Einen sicheren Zugang ermöglichen

Einer von 14 Menschen, Kinder mitgerechnet, hat in den letzten 12 Monaten Cannabis konsumiert. Mindestens ein Drittel aller haben in ihrem Leben einmal Cannabis probiert. Machen wir uns nichts vor: Die Menschen werden wie seit Jahrhunderten immer wieder zu Drogen, Genussmitteln mit Suchtfaktor, psychoaktiven Substanzen greifen und konsumieren. Nur  starke Persönlichkeiten, die über Gesundheitskompetenz verfügen, sind vielleicht vor langfristigen missbräuchlichen Konsum mit gesundheitlichen Folgen geschützt, die Gesellschaft sieht jedoch anders aus.

Daher ist es auch Aufgabe der Gesellschaft, sich nicht als Obrigkeitsstaat zu zeigen, sondern einen sicheren Zuggang – kontrolliert und reguliert – zu ermöglichen. Zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger, als Gesundheitsschutz, als Jugendschutz und zur Vorsorge bei Behandlung und Therapie.

Mehr Geld für die Prävention

Eine aktuelle Studie hat zuletzt ergeben, dass eine Legalisierung auch eine enorme fiskalische Auswirkung in Höhe von 4,7 Milliarden Euro haben wird. Neben einer Cannabissteuer werden Umsatzsteuer, Gewerbesteuer Körperschaftssteuer, Lohnsteuer fällig. Es werden neue Arbeitsplätze geschaffen, und zusätzliche Sozialabgaben gewonnen. Gleichzeitig werden Kostenersparnisse in Justiz und Polizei erzielt, die im System verbleiben können z.B. für allgemeine Präventionsarbeit

Diese und viele weitere Fragen werden uns in den nächsten Monaten gestellt. Und darauf brauchen wir Antworten, gute Antworten, richtige Antworten. Das wird nicht allen leicht fallen. Persönliche Erfahrungen mit Drogen spielen dabei bei vielen Menschen eine Rolle, aber auch grundsätzliche Überzeugungen. Es sind gerade auch in der Drogen- und Suchtpolitik viele Mythen und Halbwahrheiten unterwegs, das wissen wir aus den Erfahrungen. Schon in den neunziger Jahren war es die SPD, die sich in den Kommunen auf den Weg gemacht hat, um einen sicheren Konsum z.B. in sogenannnten Drogenkonsumräumen zu ermöglichen.

Kontrollierte Verkauf über Fachgeschäfte

Es geht um die Menschen, denjenigen, die Drogen konsumieren. Und das sind ganz viele. Die meisten von uns gehören auch dazu. Die allermeisten haben einen kontrollierten Umgang mit Alkohol, Tabak oder auch mit Medikamenten. Doch missbräuchlicher Konsum führt bei vielen Menschen auch bei erlaubten Konsum zu gesundheitlichen Schäden, ja sogar zu psychosozialen, sozialen und materiellen Schaden. Gewalt aufgrund von Alkoholmissbrauch, indirekte Schädigungen Dritter durch Tabakrauch, in der Vergangenheit haben wir solche Themen schon diskutiert.

Nun heißt es Farbe bekennen, um den neuen Erwartungen gerecht zu werden. Unser Ziel ist, über zertifizierte Fachgeschäfte, eine kontrollierten Verkauf an Erwachsene zu ermöglichen, mit Produkten, die geprüft, sicher und freigegeben sind, deren THC und CBD-Anteile festgelegt sind, die legal, versteuert und registriert angebaut, verarbeitet, gehandelt und verkauft werden, durch geschultes Fachpersonal.

Ich bin mir sicher: Wir werden es in dieser Legislaturperiode schaffen. Mit der kontrollierten und regulierten Abgabe in Deutschland schreiben wir europäische Geschichte. Wir werden in Europa die Masterfolie entwickeln und gleichzeitig internationale Fragen zu klären haben.

Autor*in
Burkhard Blienert

ist Drogenbeauftragter der Bundesregierung.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare