Meinung

Bundestagswahl: Das Wirtschaftsprogramm der Union ist keins

In ihrem Wahlprogramm versprechen CDU und CSU Steuersenkungen für Reiche. Gleichzeitig lehnt sie neue Schulden kategorisch ab. Man muss das wohl wie die Aussagen eines Werbeprospekts verstehen – sie sollen schön, aber nicht unbedingt wahr sein.
von Gustav Horn · 25. Juni 2021
Das Wirtschaftsprogramm von CDU und CSU ist wie ein Immobilienprospekt, in dem ein heruntergekommenes Haus in schlechter Lage als Liebhaberobjekt in charmanter Umgebung beschrieben wird.
Das Wirtschaftsprogramm von CDU und CSU ist wie ein Immobilienprospekt, in dem ein heruntergekommenes Haus in schlechter Lage als Liebhaberobjekt in charmanter Umgebung beschrieben wird.

Ökonomie beginnt, wo Knappheit herrscht. Ökonomie hilft dem einzelnen Haushalt, Entscheidungen zu treffen, wie knappes Geld am besten auf knappe Güter verteilt werden kann. Manche dieser Entscheidungen mögen schmerzhaft sein, die Ökonomie hilft zumindest, die beste unter allen Alternativen zu finden. Das gilt auch für die Wirtschaftspolitik. Sie ist dazu da Entscheidungen zugunsten oder zu Lasten knapper wirtschaftlicher Möglichkeiten für eine ganze Volkswirtschaften zu treffen, auch dies kann eine schmerzhafte Auswahl sein. Womit wir beim wirtschaftspolitischen Teil des CDU/CSU  Wahlprogramms sind. Es steht unter dem Leitmotiv: „Wir werden nichts versprechen, was wir nicht einhalten können“ (S.4). Wirklich?

Wie will die Union das alles bezahlen?

Die CDU ruft für Deutschland ein „Modernisierungsjahrzehnt“ (S.33) aus, in dem die deutsche Wirtschaft den Sprung ins digitale Zeitalter und zum Klimaschutz schaffen soll. Diese Alternativen kosten Geld, das für Forschung, Investitionen und Transformationshilfen aufgebracht werden muss. Da die öffentlichen Kassen nach den immensen Kosten der Corona-Pandemie leer sind, ist Geld also ein sehr knappes Gut für den Staat. An dieser Stelle käme eigentlich die Ökonomie ins Spiel und die CDU würde zeigen, auf welche Weise diese Vorhaben finanziert werden und auf was eventuell verzichtet  werden muss. 

Steuererhöhungen will die Union jedenfalls nicht: „Gerade nach der Pandemie sind Steuererhöhungen der falsche Weg,“ (S.34). Im Gegenteil sie will sogar Steuersenkungen für die  privaten Haushalte: „Wir werden den Solidaritätszuschlag für alle schrittweise abschaffen und gleichzeitig kleine und mittlere Einkommen bei der Einkommensteuer entlasten“, (S.34). Und sie will auch Steuersenkungen für die Unternehmen: „Wir werden daher mit einer Unternehmenssteuerreform die Besteuerung modernisieren und wettbewerbsfähig machen“.(S.35). Das bedeutet zu den Kosten der Modernisierung kommen noch beträchtliche Einnahmeausfälle durch Steuersenkungen.

Planen CDU und CSU Rentenkürzungen?

Will die Union etwa alles durch Schulden finanzieren? Die klare Antwort  lautet: „Wir bekennen uns zur grundgesetzlichen Schuldenbremse. (…) Grundgesetzänderungen zur Aufweichung der Schuldenbremse lehnen wir ab,“ (S.70). CDU und CSU wollen sogar über die Anforderungen der Schuldenbremse hinausgehen: „Wir wollen so schnell wie möglich wieder ausgeglichene Haushalte ohne neue Schulden erreichen und die gesamtstaatliche Schuldenquote auf unter 60 Prozent reduzieren“, (S.40) Das heißt, zu all den genannten Belastungen der öffentlichen Haushalts kommen noch die eines raschen Schuldenabbaus.

Es gibt nun einen versteckten Hinweis, dass sie an Umschichtungen im Haushalt denkt: „Wir werden mit Ende der Corona-Pandemie einen Kassensturz für die öffentlichen Haushalte einschließlich der Sozialversicherungen vollziehen,“ (S70/71).  Das könnte bedeuten, dass sie Rentenkürzungen plant. Wie die Union auf diese Weise Altersarmut und Ungleichheit bekämpfen will, bleibt ihr Geheimnis. Zudem dürfte mit diesem Vorgehen bei weitem nicht die erforderliche Summe zusammenkommen.

Ökonomie ist bei der Union nicht vorhanden

Wo also ist die Ökonomie im Wirtschaftsprogramm der Union? Sie ist schlicht nicht vorhanden. Das Wirtschaftsprogramm des Union ist keines. Man muss die Aussagen in dem Text vielmehr als die eines Werbeprospekts verstehen. Sie sollen schön, aber nicht unbedingt wahr sein. Man kann das Wirtschaftsprogramm der Union mit einem Immobilienprospekt vergleichen, in dem ein heruntergekommenes Haus in schlechter Lage als Liebhaberobjekt in charmanter Umgebung beschrieben wird. Wellness-Programm  für eine reizende Wirtschaft wäre ein passender Titel für die Vorstellungen der Union.   

So verschwinden die gewaltigen Herausforderungen für unsere Volkswirtschaft in einem rosaroten Nebel scheinbaren Wohlbefindens. In Wahrheit stehen weitreichende  wirtschaftspolitische Entscheidungen an, die die Union in ihrer langjährigen Regierungszeit  immer wieder blockiert hat.  

„Wir werden nichts versprechen, was wir nicht einhalten können“, steht am Anfang des Werbeprospekts der Union. Man sollte dies nicht allzu wörtlich nehmen. Mit Ökonomie haben die Vorstellungen der Union jedenfalls nichts zu tun.

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Gustav Horn

ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Er gründete und war von 2005 bis 2019 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.

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