Meinung

Beschluss zur Bundesnotbremse: Vertrauen für den Anti-Pandemie-Staat

Die Bundesnotbremse gegen Corona hat keine Grundrechte verletzt. Das hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt und die Klagen gegen Ausgangssperren und Schulschließungen abgelehnt.
von Christian Rath · 30. November 2021
Das Bundesverfassungsgericht hat die im Frühjahr geltende Bundesnotbremse für rechtens erklärt.
Das Bundesverfassungsgericht hat die im Frühjahr geltende Bundesnotbremse für rechtens erklärt.

Die verschärfte Coronapolitik, die von April bis Juni bundesweit galt, verletzte keine Grundrechte. Das hat jetzt das Bundesverfassungsgericht festgestellt und die Klagen gegen zwei besonders umstrittene Maßnahmen – Ausgangssperren und Schulschließungen – abgelehnt. Die Bundesnotbremse der Großen Koalition war verhältnismäßig und damit verfassungskonform. Es besteht nun kein Anlass, mit Hohn und Schadenfreude auf die Kläger*innen – FDP, Freie Wähler und Bürgerrechtler*innen – zu schauen. Die Länge der Karlsruher Beschlüsse – 85 und 124 Seiten – macht deutlich, dass es um komplexe Abwägungen ging.

Hohe Hürden für Schulschließungen

Das Bundesverfassungsgericht hat die Klagen offensichtlich auch nicht mit leichter Hand abgebügelt. Wer – wie die AfD – die Richter*innen nun als „Büttel der Regierenden“ schmäht, zeigt, dass er nur noch seine eigene Meinung akzeptiert. Was also bleibt von den Karlsruher Entscheidungen? Wichtig ist, dass der Staat bei der Pandemiebekämpfung ein Gesamtkonzept verfolgen darf, zu dem viele Einzelmaßnahmen beitragen. Auch Bereiche, die nicht die größten Infektionstreiber sind, können für das elementare Ziel in die Pflicht genommen werden.

Für Schulschließungen gilt das allerdings nur bedingt. Hier hat das Gericht die Hürden deutlich höher gelegt als zum Beispiel für Ausgangssperren. Schulschließungen sollen nur im äußersten Fall angewandt werden. Das Gericht hat sogar ein neues „Grundrecht auf schulische Bildung“ entwickelt. Schüler*innen können nun den Staat auch in der Pandemie zu einer Mindestversorgung mit Unterricht zwingen. Wenn Präsenzunterricht in der Schule nicht möglich ist, dann muss jedenfalls brauchbarer Distanzunterricht geboten werden.

Aktuell andere Situation als im Frühjahr

Aber man muss auch die Grenzen der Beschlüsse sehen. Die Karlsruher Richter*innen haben über eine Norm entschieden, die es nicht mehr gibt und über eine Situation, die sich inzwischen stark verändert hat. Im Frühjahr stand die Impfkampagne am Anfang, heute sind zwei Drittel der Bevölkerung vollständig geimpft. Auf der anderen Seite sind die Inzidenzwerte heute um ein Mehrfaches höher als damals. Es sind also ganz neue Abwägungen durch Gesetzgeber und Behörden erforderlich. 

Dabei hat der Staat aber einen weiten Einschätzungsspielraum, so die Karlsruher Klarstellung, sowohl bei der Gefährlichkeit der Lage als auch bei der Nützlichkeit der Maßnahmen. Die Behörden sollen handeln und nicht aus Furcht vor gerichtlicher Kontrolle unnötig lange zögern. 

Großzügig und vertrauensvoll gegenüber dem Staat

Die Karlsruher Beschlüsse sind gegenüber dem Staat zurecht großzügig und geradezu vertrauensvoll. Schließlich wird hier eben kein autoritäres Regime aufgebaut, sondern im Interesse aller gehandelt, auch der Corona-Skeptiker*innen.

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