Meinung

„Aufstehen“: Eine Bewegung für Verlierer

Mit gehörigem Getöse und massivem Medienaufkommen hat die Fraktionsvorsitzende der Linken ihre Sammlungsbewegung am Dienstag vorgestellt. „Aufstehen“ heißt sie, hat aber so viel Dynamik wie eine Herzsportgruppe für 90-Jährige.
von Jonas Jordan · 4. September 2018
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Diese Allianz ist eine Bewegung für Verlierer. Und zwar nicht nur für Verlierer von „Globalisierung, Freihandel, Privatisierung und EU-Binnenmarkt“, wie es im fünfseitigen Aufruf von Wagenknecht und Co. heißt, sondern auch für Verlierer des innerparteilichen Wettstreits. Ludger Volmer war mal Grünen-Parteivorsitzender und sieht sich heute als „grüner Dissident“. Simone Lange wollte mal SPD-Vorsitzende werden, war aber offenbar nicht überzeugend genug und Sahra Wagenknecht führt zwar die Fraktion der Linken, findet aber in ihrer eigenen Partei keine Mehrheit für ihren nationalen Kurs in der Migrationspolitik.

Flankiert wird das Trio am Dienstag in der Bundespressekonferenz vom blassen Professor und Dramaturgen Bernd Stegemann und einem Kommunikationsexperten, der zunächst alleine wegen seines Namens Belustigung auslöst. Hans Albers heißt er und versprüht als einziger des Quintetts so etwas wie Dynamik. „Wir machen Deutschland zu einem Parlament“, sagt er. Das klingt vielversprechend, ist es aber nicht. Im Gegensatz zu Bewegungen wie „Podemos“ und „La République en Marche“ wirkt „Aufstehen“ spröde, langweilig und typisch deutsch.

Bernd Stegemann hat keine Zeit für Demos

Während der Politik-Professor und Podemos-Gründer Pablo Iglesias Turrión die Massen begeisterte und seine Bewegung zur drittstärksten parlamentarischen Kraft in Spanien machte, hat Bernd Stegemann nicht einmal Zeit für eine Demonstration. „Ich muss auch noch was arbeiten“, sagt er zur Begründung, wieso er nicht in Chemnitz gegen Rechts auf die Straße gegangen sei.

Wagenknechts Äußerungen zu den Vorfällen in Chemnitz entlarven die eigentlichen Ziele von „Aufstehen“: fishing for compliments, und zwar am rechten Rand. „Es sind nicht plötzlich 8.000 Leute Nazis. Man treibt die Leute nach rechts, indem man sagt, das seien alle Nazis. Wir müssen deren Sorgen ernst nehmen“, sagt sie und fügt hinzu: „Es gibt Leute, die AfD wählen und die Ereignisse in Chemnitz nicht gutheißen. Die will ich zurückgewinnen.“

„Aufstehen“: Wagenknechts große Ego-Show

An diesem Punkt wird klar: „Aufstehen“ ist genau das, was im Vorfeld befürchtet worden war: die große Ego-Show von Sahra Wagenknecht, die mit Vorliebe am rechten Rand fischt. Und doch springt ihr bei diesem Thema Simone Lange bei, die zu AfD-Wählern sagt: „Man muss die Biografien der Menschen beachten.“ Und Ludger Volmer meint: „Offene Grenzen führen zu nichts außer der Aufgabe des Nationalstaats.“

Die Frage stellt sich, wer so eine Bewegung braucht. Immerhin, argumentiert Wagenknecht, hätten sich bereits mehr als 100.000 Unterstützer registriert. Sie irrt sich. Es sind Menschen, die sich aus Interesse für einen Newsletter angemeldet haben. Mit der Logik, schreibt einer bei Twitter, wäre Zalando die größte Sammelbewegung Deutschlands. Doch wer dort etwas bestellt, bekommt im besten Fall sogar ein neues Paar Schuhe, bei „Aufstehen“ dagegen nur heiße Luft. Was eine wirkliche demokratische Sammelbewegung ausmacht, haben die Menschen in den vergangenen Tagen gezeigt, als sie in vielen Städten gegen rechte Hetze und Gewalt sowie für Seenotrettung auf die Straße gingen. Das ging ganz ohne Sahra Wagenknecht und pseudo-engagierte, aber zeitlich eingespannte Professoren.    

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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Gespeichert von Sabine Hoyka (nicht überprüft) am Do., 04.01.2024 - 01:58

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