Atomkraft wird „nachhaltig“: Ein Bärendienst für den Klimaschutz
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Stellen Sie sich vor, Sie sind auf der Suche nach einem gesunden Getränk und stoßen dabei auf eine falsche Cola. Auf dem Etikett steht, dass sie keinen Zucker enthält und nicht dick macht. Aber schon nach dem ersten zuckersüßen Schluck wird klar: Das Gegenteil ist der Fall, das Etikett lügt. So ähnlich wird es künftig für Investor*innen sein, wenn sie auf der Suche nach Möglichkeiten sind, Geld in den grünen Umbau von Energieproduktion und Wirtschaft zu stecken.
Der Klimaschutz wird ausgebremst
Mit der Entscheidung des Europaparlaments, Atomkraft und Gas als nachhaltige Energien einzustufen, wird die sogenannte Taxonomie zur Unkenntlichkeit verwässert. Wer grün investieren und Energiewende wie Klimaschutz voranbringen will, bekommt keinen Wegweiser, sondern wird noch weiter ins Dickicht gezerrt. Der Klimaschutz wird so nicht beschleunigt, sondern ausgebremst.
Um es klar zu sagen: Gas und in manchen Ländern auch Atomenergie sind vorerst weiter notwendig, um den Energiebedarf in Europa zu decken. Sie dafür als „nachhaltig“ einzustufen, ist aber keinesfalls nötig – im Gegenteil. Es muss klar sein, dass fossile Energien ein Auslaufmodell sind. Sie „grün zu waschen“ erweist dem Klimaschutz einen Bärendienst. Mehr noch: Das Ziel der EU, bis 2050 klimaneutral zu wirtschaften, gerät damit ernsthaft in Gefahr.
Die Bundesregierung sollte ein Zeichen setzen
Theoretisch haben die Staats- und Regierungschef*innen nun noch die Möglichkeit, die Taxonomie auszubremsen. Dafür wären die Stimmen von mindestens 20 Mitgliedstaaten, die zusammen mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung der EU vertreten, nötig. Dass es so weit kommt, ist unwahrscheinlich. Im Rat sind die Gegner*innen des Vorschlags klar in der Minderheit. Die deutsche Regierung sollte dennoch ein klares Zeichen setzen und gegen die Taxonomie stimmen.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.