Meinung

Asyl-Vorschlag: Warum Frei zwei grobe Denkfehler begeht

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, hat vorgeschlagen, das individuelle Asylrecht innerhalb der EU abzuschaffen und durch ein jährliches Kontingent zu ersetzen. Damit schürt er vor allem Vorurteile.
von Christian Rath · 19. Juli 2023
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag schlägt vor, das individuelle Asyl-Recht in der EU abzuschaffen und schürt damit vor allem Vorurteile.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag schlägt vor, das individuelle Asyl-Recht in der EU abzuschaffen und schürt damit vor allem Vorurteile.

Thorsten Frei verspricht das Blaue vom Himmel. Endlich sollen in Europa die wirklich Hilfsbedürftigen Zuflucht bekommen, die illegale Migration wäre unterbunden und den Rechtspopulist*innen der Boden entzogen. Dies alles will der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion erreichen, indem das Asylrecht als individuelles Recht abgeschafft und durch großzügige Kontingente ersetzt wird.

Hohe Hürde für Abschaffung

Er hat damit sofort eine veritable Debatte ausgelöst und seit dem Wochenende auch viel Kritik erfahren. Viele sehen etwa das Grundrecht auf Asyl in Gefahr. Diese Kritiker*innen haben allerdings vergessen, dass das deutsche Grundrecht auf Asyl bereits 1993 weitgehend abgeschafft wurde. Unser Asylrecht beruht heute auf EU-Recht.

Thorsten Frei weiß das, er fordert die Abschaffung des Individualrecht auf Asyl in der EU. Die Hürde hierzu ist zwar hoch. Denn die EU-Grundrechte-Charta müsste einstimmig geändert werden. Aber wenn es gegen Flüchtlinge geht, ist das inzwischen leider nicht mehr unüberwindlich.

Europa würde nicht sicherer

Frei hat auch einen bedenkenswerten Punkt: Solange Europa zwar einen Individualanspruch auf Asyl gewährt, aber gleichzeitig den Zugang erschwert, kommen vor allem junge, starke und zahlungskräftige Flüchtlinge nach Europa, so Frei. Wer zu schwach oder zu arm ist, sei chancenlos. Frei will deshalb, dass Europa pro Jahr 300-400.000 wirklich hilfsbedürftige Flüchtlinge direkt aus dem Ausland holt und auf die EU-Staaten verteilt.

Der Vorschlag beruht aber auf zwei groben Denkfehlern. Auch wenn sich die EU für eine Kontingentlösung entscheidet, kommen die starken und zahlungskräftigen Flüchtlinge und Migrant*innen dennoch illegal nach Europa. Sie erhielten nach Freis Lösung nur keine Unterstützung mehr und dürften auch nicht arbeiten. Das macht Europa wohl nicht sicherer.

Ein großer humanitärer Rückschritt

Auch die Zahl von 300-400.000 Kontingentflüchtlingen pro Jahr ist völlig illusorisch. Wer die Aufnahmebereitschaft der EU-Staaten kennt, würde schon 30-40.000 Personen als Erfolg betrachten. Humanitär wäre das aber nicht der versprochene Fortschritt, sondern ein großer Rückschritt.

Doch ist der Status Quo wirklich so problematisch? Die meisten Flüchtlinge kommen immer noch aus Syrien und Afghanistan. Nur 20 Prozent der Asylanträge werden aus inhaltlichen Gründen abgelehnt. Der Anteil von Frauen und Kindern unter den Asyl-Antragstellenden beträgt 43,6 Prozent.

Frei schürt Vorurteile

Und selbst wenn unter den Flüchtlingen auch viele Wirtschaftsmigrant*innen sind: Ist das wirklich schlimm in einer Phase zunehmender Arbeitskräfte-Knappheit?

Thorsten Freis Vorwurf, dass das EU-Asylrecht die Falschen schütze, ist also vor allem geeignet, Vorurteile gegenüber den hier lebenden Flüchtlingen zu erzeugen und zu legitimieren. Indem man Hilfe für andere Flüchtlinge fordert, kann man guten Gewissens Stimmung gegen die real hier lebenden Flüchtlinge machen.

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