Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie: Das Ende der Schande
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Heute ist ein guter Tag für die Rechte von Arbeitnehmer*innen in Deutschland! Auf Drängen von Hubertus Heil geht die Bundesregierung gegen Zustände in der Fleischbranche vor, die der Arbeitsminister zurecht als „Schande“ bezeichnet hat. 60-Stunden-Wochen und die Unterbringung in Containern, zusammengepfercht auf wenigen Quadratmetern: All das erinnert an den schlimmsten Frühkapitalismus. Doch es ist tägliche Realität für zehntausende Arbeitnehmer*innen überwiegend aus Osteuropa.
Arbeitgeber*innen tragen Verantwortung für ihre Beschäftigten
Damit ist nun Schluss. Bei der Überprüfung des Arbeitsschutzes werden nun bundesweit einheitliche Standards gesetzt, die Anzahl der Prüfungen wird erhöht, das Bußgeld beim Überschreiten der Höchstarbeitszeit verdoppelt. Vor allem aber werden Werkverträge und Leiharbeit in der Fleischbranche drastisch eingeschränkt. Dieses – in anderen Bereichen durchaus sinnvolle – Instrument wird von vielen Schlachtbetrieben kategorisch missbraucht. In manchen Betrieben sind Arbeitnehmer*innen von bis zu 30 unterschiedlichen Werkvertragsunternehmen angestellt. Verantwortlichkeiten werden so bis zur Unkenntlichkeit verwischt.
Arbeitgeber*innen haben eine Fürsorgepflicht und eine Verantwortung gegenüber ihren Beschäftigten. Dieser Grundsatz wurde gerade in der Fleischbranche viel zu lange ignoriert. Mit dem Arbeitsschutzkontrollgesetz fordert die Bundesregierung diese nun ein und setzt den Unternehmen klare Regeln für ihr Geschäft. Dass die davon nicht begeistert sind, überrascht nicht – schließlich bilden Werkverträge und Leiharbeit die Grundlage ihres Geschäftsmodells, mit der Folge, dass die diversen Subunternehmen alle ihre eigenen Regeln machen.
Andere Branchen könnten folgen
Keine Frage: Die deutsche Fleischwirtschaft steht vor einem drastischen Umbruch. Das könnten auch die Verbraucher*innen merken. Um zehn bis 20 Prozent werden die Fleischpreise steigen, warnen die Unternehmen. Ob es tatsächlich dazu kommt, bleibt allerdings abzuwarten. Zudem hat die Diskussion der vergangenen Wochen die Menschen sensibilisiert, unter welchen Bedingungen ihr Essen hergestellt wird. Das gilt für Arbeitsbedingungen ebenso wie für die Umstände der Tierhaltung.
Der Blick könnte deshalb auch schnell auf weitere Bereiche wandern, in denen Werkverträge und fragwürdige Arbeitsbedingungen an der Tagesordnung sind, etwa bei der Ernte in der Landwirtschaft. Manche Arbeitgeber*innen werden sich das neue Gesetz genau ansehen und hoffentlich aus eigenem Antrieb handeln, ohne, dass die Politik sie erst zwingen muss.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.