Meinung

Andrea Nahles: Wir brauchen mehr Solidarität in Europa

Viele Menschen sehen die Europäische Union kritisch. Das müssen wir Sozialdemokraten ernst nehmen und ein soziales Europa schaffen. Sonst droht die EU, von innen zu zerreißen.
von Andrea Nahles · 31. Dezember 2018
Wir brauchen ein soziales Europa, das in Arbeit investiert, soziale Mindeststandards sichert und mit einer europäischen Arbeitslosenversicherung künftige Krisen entschärft, sagt SPD-Chefin Andrea Nahles.
Wir brauchen ein soziales Europa, das in Arbeit investiert, soziale Mindeststandards sichert und mit einer europäischen Arbeitslosenversicherung künftige Krisen entschärft, sagt SPD-Chefin Andrea Nahles.

Noch nie war eine Wahl zum ­europäischen Parlament so entscheidend wie die am 26. Mai 2019. Europa steht vor einer ­echten Richtungswahl. Es geht dabei um die Kernfrage, in welchem Europa wir leben wollen. In einem solidarischen ­Europa, in dem man gemeinsam nach Lösungen sucht oder in einem ­egoistischen Europa, in dem jeder nur noch nach seinem eigenen Vorteil strebt?

Eine handlungsfähige EU wird dringend gebraucht

In einer Zeit, in der unsere Weltordnung immer mehr ins Wanken gerät und Diplomatie, Kooperation und internationale Verträge an Geltung verlieren werden, braucht es mehr denn je eine starke und handlungsfähige Europä­ische Union. Denn die Entscheidungen über unsere Sicherheit und die Zukunft unseres Wohlstands werden sonst von anderen getroffen.

Wenn wir unsere europäischen Inte­ressen wahren wollen, müssen wir die Zerwürfnisse in Europa überwinden. Dabei ist für die Sozialdemokratie klar: Wir brauchen mehr, nicht weniger Solidarität in Europa. Im Handelsstreit mit den USA zeigt sich doch, wie sehr es darauf ankommt, geschlossen dagegenhalten zu können. So beneiden uns die Briten schon heute um die Möglichkeit, mit einer starken Stimme auf die neue Zollpolitik der USA zu reagieren. Gemeinsam haben wir in Europa ­soziale und ökologische Standards und auch Rechte für Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer errungen. Diese im globalen Wettbewerb zu wahren, werden wir nur zusammen schaffen.

Die EU steht von innen unter Druck

Aber auch von innen steht die Europäische Union unter massivem Druck. Populisten und Nationalisten wollen europäische Freiheiten schleifen und zu nationalen Alleingängen zurückkehren. Die Gaulands, LePens und Orbáns wollen Europa spalten und schwächen. Gemeinsam mit unseren europäischen Schwesterparteien werden wir uns dem mit aller Kraft entgegenstellen. Denn nur ein geeintes und handlungsfähiges Europa ist auch in Zukunft die Grund­lage für unseren Wohlstand.

Doch müssen wir ernst nehmen, dass viele Menschen die Europäische Union immer mehr als Teil des Problems und nicht der Lösung ansehen. Es geht ein tiefer Riss durch den Kontinent, der den Zusammenhalt bedroht. Es sind jedoch nicht die Flüchtlinge, die uns spalten, sondern die enormen wirtschaftlichen, sozialen und regionalen Unterschiede in Europa.

Wir brauchen ein soziales Europa

Europa ist für Menschen auf der ganzen Welt ein Sehnsuchtsort. Doch für viele in Europa scheint der Traum von sozialem Aufstieg und Wohlstand kaum erreichbar. Für die gleiche Arbeit verdient man in Luxemburg 14-mal so viel wie in Bulgarien. Die Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland beträgt über 30 Prozent, während wir in Deutschland händeringend Auszubildende suchen. Diese Unterschiede drohen, die EU von innen zu zerreißen.

Was wir daher brauchen, ist ein soziales Europa, das in Arbeit investiert, soziale Mindeststandards sichert und mit einer europäischen Arbeitslosenversicherung künftige Krisen entschärft. Und ein Europa, in dem die Menschen den Takt vorgeben, nicht global agierende Konzerne und Digitalunternehmen. Deshalb brauchen wir eine gerechte Besteuerung und einen wirksamen Schutz von Arbeitnehmerrechten. Das Beispiel Ryanair zeigt, dass wir die europäischen Betriebsräte stärken und Mitbestimmungsrechte europaweit ausbauen müssen. Das durchzusetzen, geht nur über ein handlungsfähiges Europa und dieses erreichen wir nur mit einer starken Sozialdemokratie.

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