90 Jahre Wels-Rede: Heute ist es an uns, die Demokratie zu verteidigen
„Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.“ Diesen Satz schleuderte der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Otto Wels, Adolf Hitler und den Nazis entgegen als diese ihr „Ermächtigungsgesetz“ im Reichstag zur Abstimmung stellten, das ihre Diktatur zementieren sollte. Die verbliebenen Sozialdemokrat*innen stimmten im Anschluss geschlossen gegen das Gesetz. Ein stolzer Moment in der SPD-Geschichte. Die Abgeordneten der KPD waren da schon aus Furcht um ihr Leben geflohen oder saßen im Gefängnis. 90 Jahre ist das nun her.
Fatale Fehleinschätzung der Konservativen
Die Erinnerung an Otto Wels und die damaligen Ereignisse zeigt, dass eine parlamentarische Demokratie alles andere als selbstverständlich ist. Als Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt wurde, herrschte im bürgerlichen Lager die Annahme, er werde sich innerhalb weniger Wochen selbst entzaubern. Der Satz des Zentrum-Politikers und Vizekanzlers Franz von Papen, „In zwei Monaten haben wir Hitler in die Ecke gedrückt, dass er quietscht“, steht stellvertretend für diese Fehleinschätzung. Was folgten, waren zwölf Jahre Terrorherrschaft und ein Krieg mit Millionen Toten.
Die Lehre, die wir aus den Ereignissen von vor 90 Jahren ziehen müssen, ist scheinbar einfach, aber doch häufig so schwer umzusetzen: Der beste Schutz vor Extremist*innen ist eine starke Demokratie. Eine Demokratie, die wir jeden Tag verteidigen. Wie notwendig das ist, zeige ganz aktuelle die neuerliche Razzia gegen die Reichsbürger-Szene am Mittwoch. Dabei darf nicht vergessen werden, dass mit der AfD ihr politischer Arm im Bundestag sitzt.
Wir müssen den Wert der Demokratie schätzen
Das Vermächtnis von Otto Wels ist eindeutig: Wenn wir unsere Demokratie nicht verteidigen, sind Freiheit und Frieden wenig wert. Deshalb ist es gut und wichtig, dass das Demokratiefördergesetz endlich auf dem Weg ist. Auch die Verschärfung des Waffenrechts, die Innenministerin Nancy Faeser vorantreibt, ist ein wesentlicher Baustein, es den Feind*innen der Demokratie möglichst schwer zu machen. Das entscheidende Werkzeug halten wir aber selbst in der Hand: Wir müssen selbst Demokrat*innen sein und den Wert dessen schätzen, was wir haben. Jeden Tag.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.