Meinung

75 Jahre Auschwitz-Befreiung: Philipp Amthor, ich schäme mich für dich

Vor 75 Jahren hat die Rote Armee das deutsche Vernichtungslager Auschwitz befreit. Wenn wir heute vor den Anfängen warnen, sollten wir uns immer vor Augen führen, wohin der deutsche Antisemitismus schon einmal geführt hat. Deswegen sind die Äußerungen des CDU-Politikers Philipp Amthor besonders verheerend.
von Jonas Jordan · 27. Januar 2020
Philipp Amthor gilt als Nachwuchshoffnung der CDU.
Philipp Amthor gilt als Nachwuchshoffnung der CDU.

Philipp Amthor ist 27 Jahre alt und damit drei Jahre jünger als ich. Wir gehören derselben Generation an. Und ich muss sagen: Philipp Amthor, ich schäme mich für dich. Ich schäme mich für einen Bundestagsabgeordneten, der 1992 auf die Welt kam, im wiedervereinigten, friedlichen und demokratischen Deutschland sozialisiert wurde und trotzdem derartige Äußerungen trifft.

Amthors Äußerungen sind beschämend und verheerend

Heute vor 75 Jahren befreite die Rote Armee das deutsche Vernichtungslager Auschwitz. Philipp Amthor, seit 2017 für die CDU im Bundestag, fiel zu diesem Anlass nichts Besseres ein, als vor einem steigenden Antisemitismus durch mehr Einwanderung aus muslimischen Ländern zu warnen. Es sind verheerende Äußerungen, die zu diesem Jahrestag unpassender und beschämender nicht sein könnten.

Um das klarzustellen: Ich verurteile antisemitische Äußerungen, Handlungen oder Drohungen, egal von wem sie stammen. Doch es war kein „muslimisch geprägter“ Antisemitismus, der zu Vernichtungslagern und sechs Millionen ermordeten Juden führte. Es war auch kein „muslimisch geprägter“ Antisemitismus, der Anfang Oktober für einen Anschlag auf die Synagoge in Halle sorgte.

Persilschein für Rechtsextreme

Ich will nicht glauben, dass Amthor nach den Vorkommnissen der vergangenen Monate das Problem des Rechtsextremismus in Deutschland negiert. Doch mit seinen Äußerungen verlagert und vereinfacht er das Problem des Antisemitismus schlicht auf den Faktor Migration. Damit stellt er etwa 25.000 Rechtsextremen in Deutschland einen Persilschein aus. Er schlägt die Brücke zu Äußerungen wie denen der AfD-Politiker Gauland oder Höcke, die wahlweise den Zweiten Weltkrieg einen „Vogelschiss“ nannten oder eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ forderten.

Nein, Philipp Amthor ist nicht der niedliche Jung-Unionist mit dem Geiste eines 72-Jährigen, für den ihn auch viele in meinem Bekanntenkreis halten und mit dem sich lustige Bildchen für Social Media basteln lassen. Vielmehr sind seine jüngsten Äußerungen ein weiterer Beleg für Amthors reaktionäres Weltbild.

Amthor steht für reaktionäres Weltbild

Über seine sexistische Äußerung, er brauche keinen Zucker im Kaffee, denn für das Süße seien in seiner Partei doch die Frauen zuständig, lässt sich vielleicht noch hinwegsehen. Seine Auslassungen gegen Gender Mainstreaming waren deutlich bedenklicher. Und endgültig offenbar wurde seine Geisteshaltung durch einen Spruch während einer Veranstaltung zum Tag der deutschen Einheit im Jahr 2018. Wie auf einer Aufnahme des Y-Kollektivs zu hören war, sagte Amthor nach dem Singen der Nationalhymne, es sei wenigstens „keiner von uns Moslem, der das jetzt nicht singen kann“.

Ich gehöre derselben Generation wie Philipp Amthor an, bin auch im ländlichen Raum aufgewachsen und habe etwa zeitgleich begonnen, mich politisch in einer Partei beziehungsweise der dazugehörigen Nachwuchsorganisation zu engagieren. Doch während für mich #niewieder ein konsequentes Eintreten gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus bedeutet, bleiben die CDU und ihre größte Nachwuchshoffnung zumindest im ersten Punkt häufig unklar. Und das 75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz. Ich schäme mich dafür.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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