Zwischen Fast-Food-News und Gratis-Mentalität
Journalisten haben es besser als Fußballspieler, immerhin. Denn während nur 17 Prozent der Deutschen den Balltretern vertrauen, sind es gegenüber der schreibenden Zunft immerhin 26 Prozent. Allerdings: In den vergangenen zehn Jahren hat das Vertrauen in die Presse um ganze 14 Prozentpunkte abgenommen. Nur Taxifahrer kommen auf einen schlechteren Wert. Diese Zahlen förderte die „Trusted Brand Studie“ des Magazins „Reader’s Digest“ im März zu Tage.
Welchen Wert hat Journalismus eigentlich (noch), wenn das Vertrauen in seine Vertreter derart gering ist? Darüber diskutierten vier Betroffene am Dienstagabend in der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin. „Wir Journalisten haben in den vergangenen Jahren eine dreifache Kränkung erlebt“, stellte Res Strehle fest. Was der Chefredakteur des „Zürcher Tages-Anzeigers“ meint: „Erst wurden wir schlechter bezahlt, dann verloren wir unsere Deutungshoheit und schließlich reichte es nicht mehr aus, Texte zu schreiben: Wir müssen heute mehrere Kanäle bedienen.“
Fluch und Segen des Internets
Spurlos ist das weder an Redakteuren noch an Redaktionen vorbeigegangen. „Der Ruf von Journalisten war nie der beste“, stellte etwa Stefan Niggemeier fest, der sein Geld als freier Journalist und Blogger verdient. Heute stünde der Berufsstand zusätzlich unter Druck, weil der Leser dank des Internets eine Vielzahl von Quellen zum „Gegeninformieren“ zur Verfügung habe.
Überhaupt das Internet: Wohl nichts hat den Journalismus so stark verändert wie das weltweite Netz. Wurden Nachrichten im eigentlichen Wortsinn lange Zeit über Funk, Fernsehen und – ja – Zeitungen verbreitet, ist heute das Internet das schnelle Medium, das bedient werden will – dummerweise ohne dass die Leser dafür in nennenswertem Umfang bezahlen würden. „Viele Medien suchen ihr Heil in der Klickmaximierung“, hat Stefan Niggemeier festgestellt. „Das wird auf Dauer nicht funktionieren.“
Niggemeier schlägt vor, statt auf die immer schnellere Verbreitung von Nachrichten und eine damit einhergehende „Boulevardisierung“ zu setzen, lieber in der Berichterstattung in die Tiefe zu gehen. „Dafür bietet sich das Internet mit der Möglichkeit für Verlinkungen und ähnliches ja an.“ „Die Aufgaben des Journalisten werden durch das Internet nicht weniger wichtig, sondern im Gegenteil wichtiger“, zeigte sich Claudia Nothelle überzeugt. Die Programmdirektorin des Radios Berlin-Brandenburg (RBB) meint damit die Notwendigkeit, Dinge einzuordnen und zu bewerten.
Das journalistische Handwerk wird wichtiger
Denn: „Gut recherchierte Geschichten werden auch im Internet gelesen.“ Davon ist Chefredakteur Res Strehle überzeugt. Er nannte auch noch einen für Journalisten positiven Aspekt: „Durch das Internet wissen wir endlich, was die Leser interessiert.“ Die Technik erlaube es, genau zu analysieren, welcher Artikel wie oft aufgerufen wurde. Allerdings: „Die Bereitschaft der Menschen, in die Tiefe zu gehen, ist geringer geworden.“ Diesen Aspekt sprach die freie Journalistin Flaminia Bussotti an: „Die Leser wollen Fast-Food-News.“
So ganz wollte sich an diesem Abend trotzdem niemand von der journalistischen Hausmannkost verabschieden. „Der Korrespondenten-Job ist in den letzten Jahren deutlich anspruchsvoller geworden“, betonte etwa Res Strehle: Statt eines einfachen Berichts erwarte der Leser oder Zuschauer heute auch eine Analyse. Handwerkliche Fähigkeiten würden immer wichtiger und junge Journalisten seien besser ausgebildet als die Generationen vor ihnen.
Bleibt das Problem der Bezahlung: „Die Menschen haben das Gefühl, Nachrichten sind einfach da und können kostenlos konsumiert werden“, kritisierte Stefan Niggemeier. Dass sie von Journalisten produziert werden müssten, sähen nur die wenigsten und seien deshalb auch nicht dazu bereit, für Nachrichten im Internet Geld zu bezahlen. „Professioneller Journalismus ist sein Geld wert“, unterstrich zwar RBB-Programmdirektorin Nothelle, doch wie Leser und Zuschauer davon überzeugt werden könnten, blieb an diesem Abend ein Geheimnis. Die nächste Veranstaltung ist für September geplant.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.