Kultur

Zum Tod von Götz George: Schimanski war cool, als es das Wort noch nicht gab.

Götz George ist tot. Seine Rolle als Kommissar Schimanski aus Dusiburg hat Kult-Charakter. Die Tatort-Drehbücher waren voll von Stellungnahmen, Gewerkschaftspositionen und Konsumkritischem. Und das passte immer auf die Figur.
von Martin Kaysh · 27. Juni 2016
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Wir vermissen bei Politikern das Echte, das Authentische. Wir tun das gerne beim Sonntagsnachmittagskaffee und selten in der Pausebude bei ThyssenKrupp. Sigmar Gabriel forderte letztes Jahr: „Wir müssen raus ins Leben; da, wo es laut ist; da, wo es brodelt; da wo es manchmal riecht, gelegentlich auch stinkt.“ Als wolle er sich gleich in einen Schimanskis Parka werfen und rausstürmen in die Duisburger Ruhrpottrealität.

Schimanski. Der hatte sogar einen Vornamen, Horst. Nur wurde der selten benutzt. Dann war es so wie früher zuhause - wenn du beim vollen Vornamen angesprochen wurdest, drohte Ärger. Und hinter dem Rollennamen gab es einen Schauspieler, das wurde oft vergessen, Götz George, und der ist jetzt tot.

Gewerkschaftspositionen inklusive

Wenn du als Mime so mit einer Rolle identifiziert wirst, trägst du große Verantwortung. Du kannst dann verkleidet für viel Geld und alles mögliche Reklame machen. Oder du wirst wahrhaftig, nutzt die Popularität und weist auf Missliches hin, auf Skandalöses. George wies hin. Die Tatort-Drehbücher waren voll von Stellungnahmen, Gewerkschaftspositionen und Konsumkritischem. Dabei passte das immer auf die Figur. Nie kamen Anliegen hier so kirchentagsbewegt rüber wie in der „Lindenstraße“. Schimmi war cool, als es das Wort noch nicht gab.

In einer Folge heftete er sich die Gelbe Hand an den Parkakragen, das Symbol der DGB-Aktion „Mach meinen Kumpel nicht an“, früher Antirasssismus der 80-er Jahre. Gerade noch sprach ich mit einer Initiatorin von damals. Götz George verlieh der Kampagne ungeahnte Aufmerksamkeit, weit über den geschlossenen Gewerkschaftsbereich hinaus, schwärmt sie noch drei Jahrzehnte danach.

Geschichte von unten

Überhaupt reden wir im Ruhrgebiet jetzt viel über Schimanski, weniger über die Rollen danach, die tiefer gingen, erhellender oder erschütternder gewesen sein mögen. Welch Zufall: Vor genau 35 Jahren, am 28. Juni 1981, lief der erste Tatort mit George, „Duisburg-Ruhrort“ in der ARD. Nur zwei Tage später, am Dienstag, startete „Dallas“ im selben Sender. Realismus und Schmutz, wenn sie denn der Wahrheitsfindung dienen, hier Öl und Nöligkeit da. Während Duisburg noch das SPD-Biotop verkörperte, zog zeitgleich über Southfolk grinsend der unsägliche Dauerkanzler auf.

Schimanski war erst mal nicht willkommen. Zu wenig Schokoseiten wurden da nach dem Geschmack der Lokalpolitiker gezeigt. Wobei Lokalpolitiker im Ruhrgebiet damals immer Genossen waren. Männer, wahlweise aus der IG Bergbau oder der IG Metall. Sie lagen falsch.

Der Tatort-Kommissar zeigte, wie viel Würde wächst aus dem, was von oben herab betrachtet heruntergekommen erschien. Damit war er der Geisteswissenschaft voraus. Erst 1984 erschien der Band: „Die Menschen machen ihre Geschichte nicht aus freien Stücken, aber sie machen sie selbst“. Geschichte von unten, das Recht der sonst Vergessenen auf Teilhabe an der Erinnerung, wurde jetzt populär. Götz Georges Schimanski hatte sie spielend vorgelebt, hatte als Kunstfigur Wahrheit erzeugt. George ist tot. Schimanski wird ihn überleben. Trotzdem scheiße.

Autor*in
vorwärts-Kolumnist: Kabarettist und Alternativkarnevalist Martin Kays
Martin Kaysh

ist Kabarettist, Alternativ-Karnevalist („Geierabend“) und Blogger. Er lebt im Ruhrgebiet, freiwillig.

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