Die Menschen in Armin Mueller-Stahls Geschichten überschreiten Grenzen. Da ist die Psychotherapeutin, die ausgerechnet von einem neuen Patienten erfährt, dass ihr Geliebter bei seinem
gefährlichsten Stunt ums Leben kam. Und sie war es, die ihm zuriet. Ist sie nun eine Mörderin, braucht gar selbst eine Therapie? Oder der Priester: Er ist mit dem Fluch geschlagen, dass die
Gebrechen der bei ihm Trost Suchenden auf ihn über gehen, jedenfalls im Monat Mai. Wird es ihn retten, wenn er in diesem Monat niemanden empfängt, aber selbst auf Empfänge geht? Finden zwei
Totengräber, die im strömenden Regen über das Leben der von ihnen zu Grabe Getragnen räsonieren, Trost und können ihn anderen spenden? Kann ein seit einem Autounfall gelähmter Mann sich im
Faschingskostüm einer Möwe den Traum erfüllen, noch einmal zu fliegen? Werden drei junge, von den Nazis gejagte Juden, denen ein Magier das Leben rettet indem er ihren Tod in einem Kettenkarussell
fingiert, jemals herausfinden, was wirklich mit ihnen geschah?
Ob in gesetztem Hochdeutsch oder schnoddrigen Berlinerisch, Armin Mueller- Stahl bringt die Dinge auf den Punkt. Meisterlich umreißt er Stimmungen und Charaktere, setzt sie zu zauberhaften
Momentaufnahmen zusammen. Es ist ein Genuss, seine wohl formulierten Geschichten zu studieren - Zeile für Zeile und erst recht zwischen den Zeilen.
Dagmar Günther
Armin Mueller-Stahl: Kettenkarussell, Aufbau Verlag, Berlin 2006, 152 Seiten, 17,90 Euro, ISBN 3-351-03083-5
0
Kommentare
Noch keine Kommentare