Stefan Zweig wurde als Sohn eines sehr wohlhabenden jüdischen
Textilunternehmers in Wien geboren. In seiner Familie wurde die geistige
Emanzipation großgeschrieben. Die Begeisterung für die Literatur zeigte sich
schon während seiner Schuljahre. Bereits mit 20 Jahren gelang es ihm, für
seine literarischen Arbeiten einen der angesehensten deutschen Verlage, den
Insel-Verlag, zu gewinnen. Kurz darauf veröffentlichte er im Feuilleton der
bekanntesten Wiener Zeitung, der "Neuen Freien Presse". Diese Erfolge
spornten ihn an, sich weiter zu entwickeln. So bereiste er europäische Staaten,
ferner die USA, Lateinamerika und Indien. Diese Aufenthalte nutzte er, um die
Kultur der Länder zu studieren. Sein besonderes Anliegen war die Aufnahme
von Kontakten und Freundschaften mit Schriftstellern. Er übersetzte Werke
damals in Deutschland noch unbekannter Künstler wie des belgischen
Schriftstellers Emile Verhaeren und des Franzosen Romain Rolland. Zweig sah sich als Vermittler zwischen den Kulturen, schrieb Essays über Autoren, die wie er die geistige Vereinigung Europas
wünschten. Insgesamt hat er beinahe
fünfzig Werke, vor allem zeitgenössischer Autoren, herausgegeben, übersetzt
oder eingeleitet. Er hat eine der schönsten Buchserien der deutschen Sprache,
die Insel-Bücher, angeregt und zu Beginn mit ausgewählt.
Während Zweig sich zu Beginn des Ersten Weltkriegs noch freiwillig für den
Kriegsdienst meldete, entwickelte er sich im Laufe des Kriegs aufgrund des
Kriegsgeschehens, aber auch durch Rolland, der als europäischer
Intellektueller gegen den Krieg schrieb, zum Pazifisten.
1917 und 1918 begann eine bemerkenswerte literarische Produktivität. Er
schrieb sein erstes Werk gegen den Krieg, das Drama "Jeremias". 1917 nutzte
er eine Vortragsreihe in die Schweiz, um sich dem Kriegsdienst zu entziehen.
Bis zum Ende des Kriegs blieb er hier und traf einen Kreis von Intellektuellen
aus den Krieg führenden Ländern, die sich auch aus ihren Ländern hierhin
zurückgezogen haben. Sie verstanden sich als Begründer eines neuen Europas
und veröffentlichten Texte gegen den Krieg und für einen neuen Aufbruch.
1919 kehrte er nach Österreich zurück. Er hoffte inständig, die Menschen nach
dem Krieg zu einem europäischen, friedlichen Neubeginn anzuregen. Mit seiner
Frau Friderike zog er nach Salzburg. In den fünfzehn Jahren in Salzburg
besuchten ihn die wichtigsten europäischen Intellektuellen und Musiker seiner
Zeit. In dieser Zeit entstanden auch die Werke, die seinen Weltruhm
begründeten. Er veröffentlichte zahlreiche historische Biografien, Essays und
Einführungen, in denen er den Lesern die Werke der großen europäischen
Humanisten nahe bringen wollte. Zu diesem Zweck machte er auch zahlreiche
Vortragsreisen durch Europa.
Mit großer Sorge verfolgte er in dieser Zeit den Aufstieg der Nationalsozialisten
in Deutschland. Seine Befürchtungen über das Aufkommen des Faschismus
sollten sich bestätigen. 1933 fielen in Deutschland auch seine Werke bei
Bücherverbrennungen den Flammen zum Opfer. In Gesprächen mit Freunden
äußerte er bereits 1933, dass Österreich seine Selbständigkeit nicht lange
würde behaupten können. Ebenso die Annahme sollte sich
bewahrheiten. Nach polizeilichen Willkürmaßnahmen verließ er Österreich und
emigrierte nach London. Über die Jahre bis zu seiner Emigration schrieb er in
seiner Autobiographie: "Ich bin aufgewachsen in Wien, der zweitausendjährigen
übernationalen Metropole, und habe sie wie ein Verbrecher verlassen müssen,
ehe sie degradiert wurde zu einer deutschen Provinzstadt. Mein literarisches
Werk ist in der Sprache, in der es geschrieben, zu Asche gebrannt worden, in
eben demselben Lande, wo meine Bücher Millionen Leser sich zu Freunden
gemacht. So gehöre ich nirgends mehr hin, überall Fremder und bestenfalls
Gast; auch die eigentliche Heimat, die mein Herz sich erwählt, Europa, ist mir
verloren".
In den ersten vier Jahren in Großbritannien vermied er es, sich öffentlich
politisch zu äußern.
An Stelle dessen beschäftigte er sich mit den historischen Wurzeln des
Nationalismus und den frühen Vorkämpfern der geistigen Freiheit. In diesem
Zusammenhang sind von besonderer Bedeutung die Biografien über "Erasmus
von Rotterdam" und "Castellio". Sie konnten und wurden als Parabel gegen
Faschismus. Beide Bände sind in Deutschland zu Unrecht beinahe völlig
vergessen. In Spanien erschien vor kurzem eine Neuübersetzung, die von der
Kritik hoch gelobt wurde.
Sein Exil in London endete mit der Besetzung Österreichs durch Deutschland.
Sein Pass verlor die Gültigkeit und er musste um ein englisches Dokument für
Staatenlose nachsuchen. Diese eingeschränkte persönliche Freiheit verschärfte
sich mit dem Eintritt Großbritanniens in den Zweiten Weltkrieg. Er wurde so zu
einem gerade noch geduldeten Ausländer. 1940 schafften es englische
Freunde endlich durchzusetzen, dass er die englische Staatsbürgerschaft
bekam.
Diese neue Unabhängigkeit nutzte er, um mit seiner zweiten Frau Lotte, die er
1939 geheiratet hatte, Europa zu verlassen. Nach mehreren Stationen gelangte
er nach Brasilien. Hier nahm er seinen Wohnsitz in Petropolis nahe Rio de
Janeiro und lebte dort mit seiner Frau sehr zurückgezogen. Die militärischen
Erfolge des deutschen Faschismus deprimierten ihn merklich, so dass er sich
immer mehr in seine Arbeit zurück zog. Wenige Monate vor seinem 60.
Geburtstag hatte er das Gefühl, die Zerstörung aller seiner Werte nicht mehr
ertragen zu können und nahm sich am 22. Februar 1942 gemeinsam mit seiner
Frau das Leben.
In seinem Abschiedsbrief schrieb er voller Schwermut, dass "...die Welt meiner
eigenen Sprache für mich untergegangen ist und meine geistige Heimat Europa
sich selbst vernichtet." Thomas Mann äußerte Jahre später: "Nie ist mit tieferer
Bescheidenheit ein Weltruhm getragen worden." Seinen Freunden blieb sein
herausragender Verdienst um die europäische Kultur und eine einzigartige
Persönlichkeit in Erinnerung.
Zum 125. Geburtstag des weltweit geachteten Autoren, dessen Bücher in mehr
als fünfzig Sprachen übersetzt wurden, sind verschiedene, überaus
lesenswerte Werke neu erschienen bzw. herausgegeben worden:
Stefan Zweig: Meistererzählungen. S. Fischer Verlag Frankfurt am Main 1970.
492 Seiten. ISBN 978-3-10-397022-7.
Stefan Zweig/Friderike Zweig: "Wenn einen Augenblick die Wolken weichen".
Briefwechsel 1912 - 1942. S. Fischer Verlag Frankfurt am Main 2006. ISBN
978-3-10-097096-1
Die Neuausgabe des Briefwechsels zwischen seiner späteren Ehefrau
Friderike und Stefan Zweig ist als Erzählung konzipiert und enthält zahlreiche,
bislang unveröffentlichte Briefe.
Oliver Matuschek: Stefan Zweig. Drei Leben. Eine Biographie. S. Fischer Verlag
Frankfurt am Main 2006. ISBN 978-3-10-048921-0
Matuschek erzählt die Lebensgeschichte Zweigs auf der Grundlage vieler bisher
unbekannter Dokumente und Briefe.
Alberto Dines: Tod im Paradies. Die Tragödie des Stefan Zweig. Büchergilde
Gutenberg
Frankfurt am Main 2006. ISBN 978-3-936428-64-3
Dines dokumentiert die letzten Lebensjahre Zweigs in Brasilien und zeichnet
kritisch und mitfühlend ein Porträt Zweigs, der sich den Anforderungen seiner
Zeit nicht gewachsen sah und den Freitod wählte.
Stefan Campen
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