Kultur

Zukunft ohne Kernkraft

von Die Redaktion · 24. November 2005

40 000 Megawatt Leistung aus neuen Großkraftwerken. Das ist die magische Zahl des angeblichen Ersatzbedarfs für das Abschalten von auszumusternden Kraftwerken. Für die Kraftwerksbauer ein Dorado. Für die Kohle-, Gas- und Atomlobby ist die Zahl eine große Hoffnung. Aber sie ist falsch. Zumindest beruht sie auf sehr konventionellen Annahmen, die man als ideologisch ansehen kann.

Hermann Scheer und Eurosolar stellen den Zuwachs der Windenergie, der Biomasse, der Geothermie und der Photovoltaik dagegen. Das Ziel ist die Energieautonomie, Hermann Scheers neue Vision. Es muss sich nur der bisherige jährliche Zuwachs fortsetzen, dann sind wir bis zur Jahrhundertmitte die Atomkraft und die fossilen Energieträger los. Hinzukommen muss die effiziente Nutzung der Energie.

Dagegen steht die "kulturelle Hegemonie der überkommenen Energiewirtschaft". Sie reicht bis in die Sprache hinein, mit dümmlich schönfärbenden Worten wie "emissionsfreies Kraftwerk".

Hermann Scheer, Träger des Alternativen Nobelpreises und Urheber des deutschen Erneuerbare Energiegesetzes, legt sich gleich mit mehreren Goliaths unserer Welt an. Pioniere wie ihn braucht die Welt. Es sei ihnen auch erlaubt, zu übertreiben. So etwa mit der Behauptung, erneuerbare Energien würden im Gegensatz zu Atomenergie und Fossilenergie überhaupt nicht "verbraucht". Natürlich werden auch sie nach den Gesetzen der Thermodynamik verbraucht, und ihre Regeneration ist nicht automatisch garantiert, wie der Holzverbrauch in Entwicklungsländern zeigt.

Das Buch schließt mit zehn "Maximen des Energiewechsels", von denen die erste die Wiedergewinnung der geistigen Autonomie ist. Eine andere ist der Vorrang für heimische Ressourcen, - ein klarer Bruch mit der WTO wie sie sich heute versteht. Scheers Beteuerung, das GATT-Abkommen erlaube diesen Protektionismus, wird erst Anklang finden, wenn die Menschheit die Probleme so ernst nimmt wie der Autor. Hoffen wir, dass das bald geschieht.

Ernst Ulrich von Weizsäcker war Vorsitzender des Umweltausschusses im Bundestag.

Hermann Scheer: Energieautonomie, Verlag Antje Kunstmann München 2005, 320 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 3888973902

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