vorwaerts-online: Welche Rolle spielt eure Heimatstadt Bautzen?
Thoams Stolle: Wir sind nie eine Band gewesen, die gesagt hat, unser Hauptziel ist es, die Stadt Bautzen irgendwie bekannter zu machen. Wir kommen aus Bautzen, wir sind sehr stolz drauf. Und
wir können nur jedem raten, da mal vorbei zu schauen.
Wir sind keine Botschafter oder irgendwie so was. Wir sagen das aus freien Stücken heraus, weil viele Leute noch das Vorurteil haben, da im Osten gibt es keine schönen Städte und das ist da
alles voll zurückgeblieben. Aber Bautzen ist ein schönes Gegenbeispiel, weil viel gemacht wurde. Für uns als Band spielt es insofern eine Rolle, dass wir da aufgewachsen sind und da natürlich
viele, viele Sachen erlebt haben, viele gute, viele schlechte. Von daher spielt die Stadt irgendwie schon eine Rolle, auch wenn es nicht die erste Rolle ist. Im Vordergrund steht einfach Songs zu
schreiben.
Ihr habt euch irgendwann entschlossen auf Deutsch zu singen. Wie erklärt Ihr Euch, dass deutschsprachige Musik in den letzten Jahren so populär geworden ist?
Andreas Nowak (Schlagzeug): Es ist ja nicht so, dass es keine deutsche Musik gab. Es gab Grönemeyer, Ärzte, Toten Hosen, Nena, Lindenberg, Nina Hagen. Aber natürlich ist die Popularität
gestiegen. Bei uns war so: Wir haben am Anfang englisch getextet, dann deutsch. Für uns war es einfach ein ideales Mittel, um sich direkter auszudrücken.
Dass es dann ein bisschen mehr in die Öffentlichkeit geraten ist mit der deutschen Sprache, kann ich nicht erklären. Vielleicht ist einfach der Zeitgeist da gewesen. Was auch ausschlaggebend
war, war die Diskussion um die Radioquote.
Thoams Stolle: Ich glaube, dass sich eine Plattform entwickelt hat.
Andreas Nowak: Genau. Es wurde sehr stark diskutiert und viele Radios haben dann daraufhin viele deutschsprachige Acts gespielt, was natürlich sehr gut ist. Es gibt so viel gute
deutschsprachige Bands, aber natürlich auch deutsche Bands, die englisch texten. Es ist einfach gut, deutsche Bands zu spielen. Das tut den Radios gut, das tut auch den Bands gut. So sollte es
eigentlich sein.
"Engagement gegen Rechts ist selbverständlich".
Ihr habt vor kurzem bei "Laut gegen Rechts" gespielt. Wie wichtig ist euch generell gesellschaftliches Engagement?
Stephanie Kloß: Das ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Uns geht es gut, wir haben überhaupt nichts zu meckern und wir haben das Glück, irgendwie das zu machen, was uns Spaß macht. Wir
haben einen Plattenvertrag bekommen. Wir haben so viele Bands da draußen getroffen, die nicht das Glück hatten. Es gibt auch viele Leute, die keine Arbeit haben. Wir wollen einfach ein bisschen von
unserem Glück abgeben.
Das wir uns gegen Rechts engagieren, ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Das schon gemacht, als wir noch nicht Silbermond hießen, als wir noch zur Schule gegangen sind in Bautzen und als
kleine Band angefangen haben. Wir können es nicht akzeptieren, wenn eine Partei, die rechtsradikale Ansichten hat, versucht mit ihrer Ideologie in die Köpfe der Menschen zu kommen, einer Ideologie,
die völlig falsch ist und die einfach nur dumm ist.
"Wir sagen einfach unsere Meinung"
Könnt Ihr euch erklären, warum gerade junge Leute von so einer Ideologie angesprochen werden?
Thomas Stolle: Ich glaube, dass die NPD einfach ihre Mittel geändert hat. Da sind jetzt leider mittlerweile sehr intelligente Leute da im Hintergrund, die da die Fäden ziehen und z.B. an
Schulen gehen und CDs verteilen mit Songs drauf, die rechtsradikales Gedankengut transportieren. Daraufhin gab es wieder eine Gegenbewegung. Es wurde eine andere CD gefertigt, wo wir auch mit drauf
waren. Die wurde auch in den Schulen verteilt.
Ich würde sagen, dass sich das einfach geändert hat und NPD-Mitglieder in Jugendclubs gehen, sich dort einmischen und einen auf Dufte machen und sagen, "komm, wir gehen Fußballspielen", und
irgendwann sagen, "aber den Türken lassen wir nicht mitspielen" oder "der ist irgendwie doof, den wollen wir hier nicht dabei haben". Ich glaube, dass das der Grund ist, warum die Wählerschaft in
der jungen Zielgruppe gestiegen ist.
Aber es gibt trotzdem auch noch viele Leute, die sich dagegen engagieren. Wir sind solche Leute und es gibt viele, viele andere. Auch von unseren Fans gibt es viele Leute, die sich da auch
selbständig engagieren, gar nicht, weil wir sagen, macht da alle mit, sondern die sagen, ja, wir wollen da auch was dagegen tun, wir finden es eben auch falsch. Das ist schön zu beobachten, dass es
eben auch diese Gegenseite gibt, die sich dagegen engagiert.
Seht ihr euch als politische Band?
Andreas Nowak: Wir sind einfach eine Band, die in der Öffentlichkeit steht und einfach ihre Meinung sagt. Mehr ist es eigentlich gar nicht.
In einem Song auf der neuen CD singt Ihr, dass es Zeit ist, neu anzufangen. Wie stellt Ihr euch das vor?
Thomas Stolle: Es ist eigentlich ein Bild dafür, sich wieder die Frage zu stellen, warum man eigentlich auf dieser Welt ist. Ist man hier, um Nazi zu sein, um andere Menschen, bloß weil sie
anders aussehen, weil sie woanders herkommen, irgendwie als minderwertig zu betrachten? Ist das der Grund, warum wir hier sind? Ist der Grund, warum wir hier sind, Kriege anzufangen wegen Öl, oder
sind wir hier, um in Hochhäuser reinzufliegen?
"Im Kleinen anfangen"
Das ist ja auch gerade wieder aktuell. Diese Fragestellung ist zwar irgendwie naiv, weil heutzutage nicht alles so einfach ist, das wissen wir auch, aber bei uns ist es so, dass wir die Songs
einfach aus dem Bauch raus schreiben. Und das war so eine Frage, die hat sich einfach aufgedrängt schon über mehrere Jahre. Wenn man sich so die Nachrichten anschaut, dann kommt man unweigerlich zu
dieser Frage, dass man einfach nicht verstehen kann, was in solchen Menschen vorgeht, die so was machen.
Deswegen ist auch wichtig, dass man bei sich anfängt und einfach schaut: O.k., wenn ich jetzt in meinem Alltag lebe, behandle ich die Leute um mich herum, so wie ich das eigentlich von
anderen auch erwarte? Das ist eigentlich damit gemeint, "es ist Zeit neu anzufangen", einfach in sich zu schauen und zu gucken, ob man bei sich im Kleinen richtig anfängt.
Interview: Karsten Wiedemann
Hier geht es zum dritten Teil des Interviews
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