Kultur

World Press Siegerfotos in Berlin

Die Wanderausstellung mit den Siegerfotos des World Press Photo Award gastiert im Willy-Brandt-Haus. Sie zeigt, dass die besten Bilder entstehen, wenn Journalisten sich auf ihre Sujets einlassen.
von · 5. Juni 2015

Zwei junge Männer in einem Zimmer, von rechts fällt Licht auf ihre nackten Oberkörper. Der Eine liegt auf dem Rücken, der Andere beugt sich halb über ihn. Beide wirken ruhig, entspannt, sie halten sich an den Händen. Es ist ein intimer Moment, den der dänische Fotograf Mads Nissen eingefangen hat – und ein höchst politischer noch dazu. Denn Jon und Alex, das junge Paar auf dem Foto, lebt in Sankt Petersburg, wo Homosexuelle, wie in ganz Russland, gesellschaftlich geächtet sind. Johns und Alex’ Liebe ist verboten, sie können sie nicht öffentlich ausleben. Zumindest nicht, ohne womöglich verprügelt, beschimpft oder gedemütigt zu werden.

Zeitgeschehen bildlich erfahrbar machen

Diese politische Bedeutung steht in hartem Kontrast zu den weichen Linien, den warmen Farben des Fotos. Es ist ein reizvoller Kontrast, für den Mads Nissen nun mit dem World Press Photo Award ausgezeichnet wurde. Rund 98.000 Bilder aus 131 Ländern gingen bei der World Press Photo Foundation in Amsterdam ein. Jährlich wählt eine Jury die besten Pressefotos des vergangenen Jahres in verschiedenen Kategorien. Dieses Jahr wurden die Preise in acht Kategorien an 42 Fotografen verliehen. Die dazugehörige Wanderausstellung mit allen prämierten Fotos ist bis zum 28. Juni im Berliner Willy-Brandt-Haus zu sehen.

Gisela Kayser, Geschäftsführerin des Freundeskreises Willy-Brandt-Haus, betonte bei der Ausstellungseröffnung am Donnerstagabend: „Viele der prämierten Bilder sind zu Ikonen des Zeitgeschehens geworden“. Eben deshalb, weil sie Zeitgeschehen bildlich erfahrbar machen. Die Gewinnerbilder 2014 zeigen eine breite Palette von politischen, gesellschaftlichen, aber auch ganz individuellen Augenblicken. Da sind die Fotos von Jérôme Sessini, die sich mit dem Absturz des Flugzeugs MH17 beschäftigen. Darcy Padilla begleitete zwischen 1993 und 2014 Julie Baird und ihre Familie. Die HIV-positive Julie hatte eine Drogenvergangenheit und wurde jung Mutter. Ihr Leben war bestimmt von Armut, ständigen Umzügen, verschiedenen Sterbefällen. Mit 36 Jahren verlor Julie ihren Kampf gegen AIDS. Auf Andy Rocchellis Fotos posieren russische Frauen in ihrem eigenen Wohnumfeld, kurz bevor oder nachdem sie sich für eine Dating-Seite haben ablichten lassen. Bao Tailiang hat eingefangen, wie sehnsüchtig der argentinische Fußball-Nationalspieler Lionel Messi nach dem verlorenen WM-Finale gegen Deutschland auf den Pokal blickt. Und Massimo Sestini zeigt ein völlig überfülltes Flüchtlingsboot ein paar Kilometer vor der libyschen Küste.

„Kein aseptisches Weltbild“

Jury-Mitglied Peter-Matthias Gaede, journalistischer Berater der Gruner + Jahr Geschäftsführung, lobte die Leidenschaft der in diesem Jahr ausgezeichneten Fotojournalisten. Diese hätten „kein aseptisches Weltbild“, auch wenn von ihnen oft angenommen würde, sie müssten ihrem Sujet stets distanziert gegenüberstehen. Ähnlich sah es Anais Conign, Mitglied der World Press Photo Foundation: „Das Bild von Mats Nissen zeigt eine Nähe zum Sujet“. Der Vorsitzende der AG Schwule und Lesben in der SPD, Ansgar Dittmar, wünscht sich auch in Deutschland mehr Nähe zum Thema Homosexualität – Nissens Siegerfoto müsste ein Zeichen sein, mehr für die Rechte Homosexueller zu tun: „Homophobie ist nicht nur ein Gefühl, sie ist Realität.“

Fotojournalisten, das zeigt der World Press Photo Award, arbeiten jedes Jahr daran, solche harten Realitäten sichtbar zu machen, sie in einem einzigen Moment einzufangen. Und dafür müssen sie Nähe zulassen. Eine Nähe, die beim Betrachten jedes einzelnen Fotos deutlich wird.  

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