Was ist los in Europa? Der Euro scheint am Ende. Wir reden nur noch von Krisen. Gibt es keine zündende neue Idee? Es brauche gar keine, stellen die Autoren des Sammelbandes „Ein Triumph gescheiterter Ideen“ fest. Alle Instrumente für eine Wende zum Besseren seien da – es fehle der politische Wille sie umzusetzen.
Steffen Lehndorffs Sammelband rüttelt auf – es holt das Untere nach Oben und umgekehrt. Anhand von Fallstudien aus zehn EU-Staaten filtern die Autoren heraus, warum Europa nach Jahren Wohlstand plötzlich in einer Wachstumskrise steckt. Die hohe Jugend-Arbeitslosigkeit ist geradezu lebensbedrohlich für die Idee und die Wirklichkeit Europa.
Die Fallstudien zeigen deutlich, dass der Kapitalismus in Europa dringend reformiert und modernisiert werden muss. Die Sozialpartnerschaft kommt zu kurz, und weil dies so ist, wackeln die Säulen der Marktwirtschaft, beginnt das Gerüst des Kapitalismus zu zerbröckeln. Weil es aber offenbar nicht genug neue Ideen gibt, wie dies zu verhindern ist, verstärkt sich die Krise unaufhörlich durch die Unfähigkeit der Politik und Manager.
Alles für die Profimaximierung – und nun?
Der Kapitalismus moderner Prägung wurde und wird gespeist von neoliberalen Ideen. Alles ist gut, was der Wirtschaft, den Unternehmern oder generell dem Kapital nutzt und der Profitmaximierung dient. Freie Bewegung global, das Gespenst des Globalismus geht um. Der Staat hat die Rahmenbedingungen dafür zu setzen, dass sie möglichst garantiert ist. Die Soziale Marktwirtschaft hat eine Alibi Funktion, das jährliche Ritual der Lohnverhandlungen ist zur Showveranstaltung geworden.
Die Reichen wurden immer reicher, die Armen immer ärmer. So zeigt sich, und das arbeitet Lehndorff sehr gut heraus, dass wir keine „Schulden-Krise” in Europa haben, sondern eine „Ideen-Krise“. Alle Ideen, die dem neoliberalen Weg der letzten 30 Jahre zugrunde liegen, hätten sich selbst überlebt, seien nicht „nachhaltig“. Und solange die Politik das nicht erkenne, werde es keine „Wende“ und keine Besserung geben können. Der Satz „Der Markt hat immer recht“ dürfe keine Gültigkeit mehr haben.
Sozialdemokratie hat keine Antworten
Die modernen Sozialdemokraten haben Antworten. Das zeigt dieses Buch. Denn alle Instrumente für eine Wende zum Besseren sind schon da. Es scheint allerdings der Mut zu fehlen, sie anzuwenden. Das ist die Erkenntnis, die dieses Buch liefert. Wir müssen den Kapitalismus nicht abzuschaffen, sondern mit sozialen Ideen neu begründen. Es gibt eben doch Alternativen.
So ist der Buchtitel zu verstehen. Obwohl schon längst für gescheitert erklärt, triumphieren die alten Ideen. Die Autoren beschreiben die Umbrüche in den Wirtschafts- und Sozialordnungen, in den nationalen Modellen und in der Organisation von Wirtschaft und Arbeitsmarkt in Europa.
Erosion des gesellschaftlichen Zusammenhalts
Nur mit einer Neubesinnung auf die soziale Komponente könne die Krise gemeistert werden. Die sozialen Modelle brächen auseinander, weil der Euro als Synonym für rein fiskalisches Denken (Stichwort: Staatsschuldenkrise oder drastische Sparmaßnahmen) als Motor angesehen wird. Eine falsche Entwicklung, wie Fallstudien belegen. Wichtiger ist der Blick auf die Sozialsysteme. Sie taugen nicht in der gegenwärtigen Wirtschaftswelt. Aber brechen sie ein, ist es auch mit dem sozialen Frieden vorbei.
Genau aus diesem Grund – das ist die Schlussfolgerung dieses Buches – müssten die sozialen Werte wieder in den Fokus der täglichen Politik gerückt werden. Denn das Basisproblem heißt: Hohe Ansprüche des Wohlfahrtsstaates können durch die nicht mehr ausreichende Wertschöpfung in keinem der Staaten mehr bedient werden. Am Ende führt das zu einer langsamen Erosion des Sozialstaates.
Das genau muss die Sozialdemokratie verhindern. Im Buch finden sich gute Ideen, oft allerdings zu kompliziert beschrieben. Die Sozialdemokratie muss diese Ideen dem Bürger, dem Wähler verständlich machen. Dieses Buch könnte eine Basis dafür sein.
Steffen Lehndorff (Hrsg.): „Ein Triumph gescheiterter Ideen. Warum Europa tief in der Krise steckt – zehn Länder-Fallstudien“, VSA Verlag, Hamburg 2012, 19,80 Euro,ISBN 978-3-89965-511-7