Kultur

Wo sind die Jobs?

von ohne Autor · 11. Juli 2007

Der Knick des einstigen Wirtschaftswunderlands Deutschland kam in den 1970ern. Die Vollbeschäftigung wich steigender Arbeitslosigkeit, die hohen Steuereinnahmen wurden abgelöst von wachsenden Staatsschulden.

Hintergrund hierbei bildeten globale Veränderungen, wie die Ölkrisen dieses Jahrzehnts oder das Ende fester Wechselkurse des Bretton-Woods-Systems. Hinzu kam der Beginn einer zweiten industriellen Revolution mit der Entwicklung der ersten Computer und moderner Maschinentechnik.

Als viel folgenreicher sollten sich aber die verfehlten Weichenstellungen der Innenpolitik herausstellen. So erlebte die Bundesrepublik einen kostenintensiven Ausbau des Sozialwesens mit einhergehender sinkender Investitionstätigkeit des Staates. Problematisch war die allein auf Preisstabilität ausgerichtete Geldpolitik der Bundesbank, die unfähig schien, wirtschaftliche Wachstumsimpulse zu schaffen.

Diese wirtschaftliche Schieflage sollte sich durch die Veränderungen der 90er in Form von Deutscher Einheit, EU-Osterweiterung und Globalisierung noch verschärfen.

Die deutsche Reformmisere

Holtfrerich hält Vollbeschäftigung in Folge stärkeren Wirtschaftswachstums dennoch für möglich. Hierzu sei aber ein Umdenken nötig. Als Kardinalfehler der vergangenen Reformbemühungen wird der verengte mikro-ökonomische Blick der Politik kritisiert. Dabei sei allein die Wirkung der punktuellen Reformprojekte auf das einzelne Unternehmen, den einzelnen Arbeitssuchenden betrachtet, die gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge aber vernachlässigt worden.

Als Beispiel verweist der Autor an die unerfüllt gebliebenen Hoffnungen der Hartz-Reformen.



Ein ganzheitlicher Lösungsansatz


Das hier entfaltete Konzept bemüht sich daher um Neujustierungen an verschiedenen Schalthebeln:

So wird eine Lockerung des Euro-Stabilitätspaktes gefordert, da dessen Vorgaben zur Haushaltskonsolidierung den Staat in seinen Handlungsspielräumen einschränken. In Zeiten wirtschaftlicher Stagnation würden durch den Zwang zur Sparpolitik Krisen sogar verstärkt, insbesondere wenn Zukunftsinvestitionen zurückgehalten würden.

Kritisch beurteilt Holtfrerich auch die restriktive Geldpolitik der EZB. Dessen starrer Drang zur Inflationsbekämpfung verhindere die wirtschaftliche Entfaltung des Euro-Raumes.

Um stabiles Wachstum zu generieren, sei ebenso eine Reformierung des deutschen Steuersystems nötig. Dieses sei zu kompliziert und durch seinen immensen Verwaltungsaufwand eine kostenintensive Belastung für die deutsche Wirtschaft. Dieser Standortnachteil werde zusätzlich durch die hohen Lohnnebenkosten verstärkt. Eine Reform sei nötig, die einerseits entlastet, zugleich aber auch stärkere Investitionsanreize durch mehr Abschreibungsmöglichkeiten schafft.

Hinsichtlich der Lohnpolitik sei Zurückhaltung einzufordern, da nur so Wirtschaftswachstum auch zu mehr Beschäftigung führen könne. Dabei redet der Autor keineswegs weiteren Nullrunden das Wort, da diese den Binnenkonsum schwächen würden.

Holtfrerichs Überlegungen, die hier nur in Eckpunkten wiedergegeben werden können, orientieren sich auffällig an der amerikanischen Wirtschafts- und Geldpolitik, jedoch nicht in Gestalt des Neoliberalismus. Den Gedanken des Keynesianismus verpflichtet, fordert er eine angebots- und nachfrageorientierte Politik, in welcher der starke Staat aktiv als Investor auftritt. Kritisch hingegen betrachtet Holtfrerich die hohen Transferleistungen des Sozialstaats. Hier müssten Kosten gesenkt werden, um Wachstumsimpulse zu schaffen, da Vollbeschäftigung noch immer die beste Sozialpolitik sei.



Ulf Lindner




Carl-Ludwig Holtfrerich : Wo sind die Jobs? Eine Streitschrift für mehr Arbeit, Deutsche Verlags-Anstalt, München 2007, kart., 318 Seiten, 19,95 €. ISBN: 978-3421042774

0 Kommentare
Noch keine Kommentare