Die "Bild" und die "FAZ" hätten Buebs Buch zu einem Medienereignis gemacht und so für hohe Verkaufszahlen und eine gesellschaftliche Akzeptanz gesorgt, schilderte der Psychologe Claus Koch
die Umstände, die die Autoren zur Antwort bewogen haben. Leider träfen Buebs Ausführungen genau den Nerv der Leser: Eltern empfänden Erziehung immer mehr als ein schwieriges Geschäft und Lehrer
seien mehr und mehr zermürbt durch ihre Arbeit. Koch sei jedoch überzeugt, dass Buebs Vorschläge einen falschen Weg beschreiben.
"Vordemokratische" Forderungen
"Ohne Zweifel" gäbe es den Bildungsnotstand, so Micha Brumlik, Erziehungswissenschaftler und Herausgeber des Buches. Anders als Bueb führt er diesen jedoch nicht auf die 68er oder liberale
Erziehungskonzepte zurück, sondern vielmehr auf Armutsverwahrlosung und autoritäre Familienstrukturen.
Buebs Orientierung am Zitat des Apostel Paulus "Jedermann sei Untertan der Obrigkeit" und die damit verbundene Forderung nach vorbehaltloser Anerkennung von Autoritäten bezeichnete Brumlik
als "vordemokratisch". Demokratie sei letztendlich nichts anderes als die "Institutionalisierung von Vorbehalten".
Weder neu noch originell
Die von Bueb benutzten Bilder und Beispiele seien keinesfalls neu oder originell, fügte Sabine Andresen, Erziehungswissenschaftlerin an der Universität Bielefeld, an: Bereits im Jahre 1909
habe der Berliner Pädagoge Friedrich Paulsen vor "liberalen Müttern und Pädagogen" gewarnt, die das Geschlechter- und Autoritätsverhältnis zu erschüttern drohten. Auch damals sei eine Rückkehr zu
Disziplin und Gehorsam gefordert worden.
Eine Verfallsgeschichte der Familie wie Bueb sie beschreibt ließe sich empirisch nicht belegen, so Andresen. Die jüngste Shell-Jugendstudie zeige hingegen, dass Jugendliche sich durchaus zu
familiären und demokratischen Werten bekennen.
Ein pädagogisches Traktat
Die Autoren von "Vom Missbrauch der Disziplin" beleuchten und widersprechen Buebs Thesen von verschiedenen Seiten. Unzureichende Antworten auf eine tatsächlich existierende Krisenlage,
Widersprüchlichkeiten in der Argumentation, reaktionäre Sichtweisen, unzureichende Kenntnisse und unoriginelle Ratschläge sind nur einige Vorwürfe, die an Bueb richten.
Sie stellen Bezüge her, die Bueb in seiner Streitschrift auslässt. Die Autoren sind sich einig, dass sich in Wirklichkeit Hilflosigkeit, Frust und eine reaktionäre politische Aussage hinter
Buebs "pädagogischem Traktat" verstecke.
Wissenschaftliche Alternativen?
Eine Zuhörerin merkte schließlich an, dass der Erfolg von Buebs Buch in seinen einfachen Lösungsvorschlägen liege. Sie fragte, welche Rezepte die Wissenschaft dem entgegen setze. Micha
Brumlik gab daraufhin zu, dass es sich bei "Vom Missbrauch der Disziplin" lediglich um eine kritische Auseinandersetzung mit Bueb handele. Er betonte wie schwer es ist, auf populistische
Forderungen zu reagieren. Nun sei es an der Wissenschaft, Alternativen zu liefern.
Felix Eisele
Micha Brumlik (Hrsg.): Vom Missbrauch der Disziplin. Antworten der Wissenschaft auf
Bernhard Bueb. Beltz, Weinheim 2007. 246 Seiten. 12,90 €. ISBN 978-3-407-85765-1
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