Kultur

Wir sehen sie nicht

von Doreen Tiepke · 13. Mai 2009
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Wer hat sie nicht schon einmal bemerkt, die Putzfrauen, Haushaltshilfen oder Bauarbeiter ausländischer Herkunft. Sie leben unter uns, wir nehmen sie wahr, aber sehen sie nicht, denn sie sind illegal und Meister des Versteckens. Auf der Suche nach einem besseren Leben kommen jährlich Tausende nach Deutschland. Von ihren Familien geschickt, als einzige Hoffnung auf ein bisschen Geld und Zukunft. Wer nimmt sich ihrer an, wer hört ihnen zu? Bicker gelingt, auch aufgrund seiner Sprache, eindrücklich und bestimmt ein Bild von Deutschland zu entwerfen, das die meisten so nicht kennen.

Beispiel Ukraine
Die Schauplätze sind austauschbar, die Schicksale nicht. Bicker lässt Menschen verschiedener Migrationshintergründe zu Wort kommen, die versuchen in München illegal zu überleben: die Frau aus Ecuador, eigentlich Sekretärin, die sich für Mutter und Schwestern in Deutschland als Putzfrau und Kindermädchen abrackert. Der Mann aus der Ukraine, der mehrere Sprachen spricht, studiert hat, aber in seiner Heimat keine Zukunft sieht. Der Kurde, der seine Frau verlor, gefoltert wurde und bei seiner Einreise keine Quittung über diese Folter vorlegen konnte. "eine quittung von wem. Was weiß ich. Nachweis. Von der polizei. Zum beispiel. Du sagst die haben dich geschlagen. Wo steht das. Nirgends. Schlecht." So wird er als Flüchtling nicht anerkannt und wird illegal.
Die Geschichten lesen sich wie aus einer anderen Welt. Völlig unsentimental lässt der Autor seine Protagonisten zu Wort kommen. "warum haben sie dir nicht den roten teppich ausgerollt. Sie reden von demokratie und freiheit und rechten. Du hast tote männer aus dem staub geborgen. Du hast kinder in erdlöchern versteckt damit sie das gas nicht einatmen. Du hast geschossen und gekämpft. Für die freiheit. Und als sie dir gesagt haben kämpf weiter. Für allah. Hast du nein gesagt."

Wert Mensch
Das Thema "Illegal" beschäftigt die Politik seit langem und es scheint, als gehörten diese nicht Gesehenen zum Alltag. So jedenfalls beschreibt es Bicker. Obwohl die Menschen unter uns leben, existieren sie nicht, dabei gibt es, laut Spiegel, bis zu eine Million illegale Einwanderer in Deutschland. Ohne Krankenversicherung, immer auf der Hut nicht aufzufallen und keineswegs nur Prostituierte oder Zuhälter, Schläger oder Drogenhändler.
Bicker sticht mit seinem Buch in ein Wespennest. Er dürfte die Diskussion um Grundrechte für illegale Einwanderer anheizen. Jeder Mensch ist es wert wahrgenommen zu werden.

Doreen Tiepke

Bicker, Björn: Illegal: Wir sind viele. Wir sind da. Verlag Antje Kunstmann, München, 2009, 124 S., 14,90 Euro, ISBN 978-3-88897-554-7

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