Kultur

Wind am Ende des Tunnels

von ohne Autor · 14. April 2011
placeholder

Auch das große Herz der Figur, um die sich alles dreht, hat etwas Märchenhaftes an sich. Nicht nur, weil Svet-Ake seine Familie über alles liebt. Für die Menschen im Dorf ist der Elektriker der Mann für alle Fälle. "Herr Licht", wie sie ihn nennen, teilt ihren Kummer und hilft, wo er kann. Zum Beispiel bei der Versorgung mit Strom. Für viele ist dieser zu einem unerschwinglichen Luxus geworden. Damit niemand im Dunkeln sitzen muss, ersinnt Svet-Ake Tricks, um die Leitungen anzuzapfen und die Stromzähler zu manipulieren.

Als der Betrug auffliegt, ist er erledigt. Für die Obrigkeit ist er ein Dieb des Lichts. Doch seinen Plan, dem Dorf zu günstiger Elektrizität zu verhelfen, gibt er nicht auf. Ein Windpark muss her! Dafür muss sich der verschmitzte Tüftler allerdings mit einem zwielichtigen Oligarchen einlassen. Es ist ein Pakt mit dem Teufel, der große Gefahren birgt. Doch am Ende wird Svet-Ake einen kleinen Triumph davontragen.

Brutale Realität
Man möchte meinen: Wer nach all den Rückschlägen immer wieder aufsteht, kann nicht von dieser Welt sein! Vor allem, weil die Realität, die den lebensklugen Handwerker in all ihrer Brutalität zu zermalmen droht, an ihm abzuperlen scheint. Selten man so einen stoischen Helden erlebt, der seine Abscheu gegenüber politischem Filz und vulgären Geschäftemachern - in der Regel - allenfalls mit einem versteinerten Blick demonstriert. Anstatt sich lange mit dem Frust aufzuhalten, drängt es ihn, den Mächtigen ein Schnippchen zu schlagen. Umso schwerer ist der Zwiespalt, der sich Svet-Ake stellt, will er für sich und das Dorf einen Neuanfang wagen. Nicht nur sein Windrad Marke Eigenbau verleiht ihm das nötige Selbstvertrauen, an das Großprojekt zu glauben. Es ist sein innerer Kompass, der ihm Orientierung und Sicherheit darin gibt, sich mit jenen Leuten einzulassen, denen er eigentlich lieber aus dem Weg gehen würde.

Man mag ein derartiges Menschenbild für romantisch oder naiv halten. Doch anhand dieser Geschichte beschreibt der wohl prominenteste kirgisische Regisseur und Hauptdarsteller Aktan Arym Kubat Wege, sich gerade dann für etwas einzusetzen, wenn es ausweglos erscheint. In diesem Fall ist es eine kollabierende und korrupte Bürokratie, die das Dasein erschwert, anstatt Daseinsvorsorge zu betreiben. Ob beim Tee mit Svet-Akes Nachbarn oder im Streit zwischen Bürgermeister und Investor: Schonungslos, aber subtil kommen die Missstände der kirgisischen Gesellschaft zur Sprache. Dass das karge Landleben keineswegs idealisiert wird, stärkt die realistische Atmosphäre der internationalen Co-Produktion um ein Weiteres. Wenn angejahrte Honoratioren in ihrer Hinfälligkeit und Trägheit gezeigt werden, lässt sich das als feinsinniger Seitenhieb auf ein patriarchalisches System verstehen. Doch anstatt die Menschen vorzuführen, werden sie ihrer Würde belassen.

Liebe ohne Hierarchie
Ebenso vielschichtig wird der Zusammenhalt in der Familie des Elektrikers beschrieben. Sie ist kein Idyll, sondern ein Kraftzentrum. Dort wird gelacht, gestritten und geweint. Keine Hierarchie, sondern emotionale Nähe ist das Fundament. Wie sich zwei nackte Fußpaare unter der Schranktür treffen, ist vielleicht der schönste Ausdruck für die Liebe zwischen zwei Menschen, die die Filmsprache kennt. Spätestens an dieser Stelle wird klar, dass "Der Dieb des Lichts" viel mehr ist als die Erzählung von einem Dorf. Je unbefangener man sich auf die ungewohnte Kulisse einlässt, desto klarer wird, dass es um universelle Fragen geht: Etwa darum, was wir bereit sind, für unsere Nächsten zu geben, ohne uns selbst aufzugeben. Auf den ersten Blick mögen sich derlei existenzielle Probleme in einem Staat im Umbruch, wie Kirgisistan einer ist, eher stellen als in sogenannten Wohlstandsgesellschaften. Doch in ihrem Grundwesen sind sie allgemeingültig.

Daher ist Aktan Arym Kubats dritter Spielfilm, trotz all der rauschhaften Impressionen von der schroffen Schönheit Zentralasiens, eine Sozialstudie mit einer klaren gesellschaftspolitischen Haltung, ohne allerdings ein dezidiertes politisches oder moralisches Statement vor sich her zu tragen. Das ist auch nicht nötig. Svet-Akes Gesicht sagt sowieso alles. Es gibt kein richtiges Leben im falschen? "Der Dieb des Lichts" zeigt, dass man es zumindestversuchen sollte.

Der Dieb des Lichts (Kirgisistan/ Deutschland/ Frankreich/ Niederlande 2010)
Regie: Aktan Arym Kubat,
Drehbuch: Aktan Arym Kubat, Talip Ibraimov, Darsteller: Aktan Arym Kubat, Taalaikan Abazova, Askat Sulaimanov u.a., Länge: 80 Minuten
Kinostart: 14. April. Mehr Informationen unter www.derdiebdeslichts.de

0 Kommentare
Noch keine Kommentare