Kultur

„Willkommen in meinem Leben“

von ohne Autor · 26. Juni 2007

Dass sein fünftes Buch ein Erfolg sein würde, wusste der Autor nicht als er das sechste schrieb. Und genau darum geht es: Die Hauptfigur von "Das bin doch ich" ist ein Schriftsteller namens Thomas Glavinic. Soeben hat er das Romanmanuskript von "Die Arbeit der Nacht" abgeschlossen. Jetzt wartet er: auf einen Verlag, auf positive Kritiken, auf die Longlist des Deutschen Buchpreises, auf Geld. Kurz: Er wartet auf Erfolg.

"Für mich gibt es nichts zu tun. 'Die Arbeit der Nacht' erscheint im August. Leere, Leerlauf, Warten. Ich sehe überall schlechte Vorzeichen, oder anders: Ich bin zweckpessimistisch und fühle mich schon durch Kleinigkeiten in meiner Sorge bestätigt." Der Schriftsteller dünkt sich allein gelassen in dieser Phase, allein mit seinen Hoffnungen und Ängsten, "wie bei einem Wettbewerb, der durch Publikumsvoting entschieden wird". "Alle Telefonleitungen sind zu, das Ergebnis steht fest, aber noch kennt es keiner."



"Wieso bist du nicht auf der Bestsellerliste...?"


Sein Freund und Schriftstellerkollege ist da wenig hilfreich. Der nämlich hält Thomas Glavinic stets über die steigenden Verkaufszahlen des eigenen Romans "Die Vermessung der Welt" auf dem Laufenden. "Es ist, als hätten sich zwei zu einer Reise verabredet, und dann nimmt der eine den früheren Zug" , so Glavinic . Die Anrufe seiner Mutter machen die Sache auch nicht besser: "Wieso bist Du nicht auf der Bestsellerliste und Dein Freund immer noch?".

Die Romanfigur Glavinic versinkt in Furcht und Schrecken. Der Mann hat Angst vor Hodenkrebs, trinkt zuviel und trifft stets die unangenehmsten Mitmenschen. Er ist deren Opfer - und zugleich sein eigenes: " ... alles stört mich, ich störe mich." In schonungsloser Offenheit erfährt der Leser von jeder Peinlichkeit und jedem Misserfolg. "Nachdem ich mich eine Weile selbst bemitleidet habe (noch immer kein berühmter Schriftsteller, noch immer nicht reich, noch immer kein neuer Verlag), schleppe ich mich ins Tancredi."



Das andere Ich


Die größte Sorge des Autors ist jedoch jene, sich selbst zu sabotieren. Hat er nachts betrunken wieder Emails verschickt? Womöglich an jemanden aus dem Literaturbetrieb - und sich damit selbst geschadet? "Wer und wie ist der andere?", will Glavinic - diesmal der reale - bei der Lesung wissen. Die sei letztlich auch das zentrale Motiv von "Das bin doch ich". Hier entsteht eine zusätzliche Verbandelung mit dem Vorgängerbuch "Die Arbeit der Nacht". In diesem findet sich die Hauptfigur plötzlich allein auf der Welt - und muss sich mit seinem anderen Ich auseinandersetzen.



Von Starautoren und Kritikern


Nicht zuletzt ist "Das bin doch ich" auch ein Buch über den Literaturbetrieb. Es handelt von Jurys und Verkaufszahlen, von Starautoren und Kritikern. Glavinic thematisiert die Abhängigkeit eines Autors vom Feuilleton und von den Preisen. Und er hofft ganz offen auch auf finanziellen Erfolg. Zahlreiche Namen aus dem Literaturgeschäft werden genannt, Verhaltensweisen aufgezeigt.

Glavinics Roman ist dabei nie platt oder anklagend. Denn so schonungslos wie er sich selbst als Romanfigur vorführt, geht er mit niemand anderem um. So karikiert er sich eher selbst, wenn er z.B. über Kehlmanns Lektorin urteilt: "Was soll ich sagen, sie hat 'Die Arbeit der Nacht' kommentarlos abgelehnt, und obwohl sie mir sympathisch ist, werde ich mich wohl nicht lange mit ihr unterhalten, denn wer meine Bücher ablehnt ist des Teufels."

Über sich selbst schreiben



Wer einen Roman verfasst, erklärt Glavinic bei der Lesung, müsse "in gewisser Weise über sich selbst schreiben". Wie weit geht diese Identifikation bei "Das bin doch ich"? Das Buch spielt mit Doppeldeutungen und mit der Realität. Wie viel Thomas Glavinic steckt in der Romanfigur Thomas Glavinic? Und während der Leser über diese Frage nachdenkt, muss sich die Figur ihrerseits mit ihrem anderen, verborgenen Ich auseinandersetzen.

Der Roman lebt von Übertreibungen und Zuspitzungen. Schonungslos legt der Autor die Schwächen und Ängste der Hauptfigur offen. Dabei ist er zutiefst menschlich, gnadenlos ehrlich, und unglaublich komisch. Und aus all diesen Gründen ist "Das bin doch ich" unbedingt lesenswert.

Birgit Güll

Thomas Glavinic: "Das bin doch ich". Carl Hanser Verlag, München, 2007, 19,90 Euro, ISBN 978-3-446-20912-1. erscheint am 25.8.2007

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