„Wildes Herz“: Warum „Feine Sahne Fischfilet“ für die Provinz brennen
Neue Visionen Filmverleih
An dem Tag, als „Feine Sahne Fischfilet“ mit einem Präsentkorb im Foyer der Zentrale des Verfassungsschutzes von Mecklenburg-Vorpommern stehen, zeigt sich der besondere Humor und die Lust auf Provokation, die die Musiker aus dem Nordosten auszeichnen. Die jungen Männer waren gekommen, um sich zu bedanken. Nämlich dafür, dass die Verfassungsschützer die Band als linksextrem eingestuft und jahrelang beobachtet hatten. Dadurch wurde die Gruppe erst richtig bekannt. Während des vergangenen Landtagswahlkampfes zog „Feine Sahne Fischfilet“ unter dem Motto „Noch nicht komplett im Arsch“ durch das Bundesland, um gegen den sich abzeichnenden Rechtsruck Flagge zu zeigen. Die Kost für die Fans ist unbequem und massenkompatibel zugleich. Das aktuelle Album „Sturm & Dreck“ stieg auf Platz drei der Charts ein.
Von Nazis bedroht
Mittlerweile haben die Verfassungsschützer die Band von der Liste gestrichen, doch sagen die unscharfen Bilder aus Schwerin einiges darüber, wie „Feine Sahne Fischfilet“ Kritik formulieren oder mit Angriffen von außen umgehen: deutlich in der Sache, aber nicht immer bierernst. Das gilt besonders für „Monchi“. Das Aushängeschild des Sextetts steht im Mittelpunkt des Dokumentarfilm-Regiedebüts des Schauspielers Charly Hübner. Dieser interessierte sich vor allem für Gorkows widersprüchlich anmutenden Lebensweg vom Hooligan zum Künstler, der begann, sich gegen den braunen Mainstream in seiner Heimat zu engagieren, als viele Gleichaltrige nach rechts abdrifteten. Aufgewachsen in einem von protestantischer Bürgerlichkeit beseelten Zuhause im Städtchen Jarmel (Mutter: Zahnärztin, Vater: Bauingenieur), zieht es ihn als Jugendlichen in die gewaltbereite Ultra-Szene von Hansa Rostock. In Scharen ziehen sie durch die Republik, landen auch schon mal im Polizeigewahrsam.
Als ihm Saufen, Grölen und Randalieren zu stumpf wird, entdeckt Gorkow die Musik für sich und gründet mit Freunden aus der Umgebung „Feine Sahne Fischfilet“. 2009 erscheint das erste Album. Geht es in den hymnisch-kraftvollen Songs zunächst um derben Lebensgenuss, wird die Band zunehmend politisch. In ihren Texten attackieren sie Neonazis und Rassisten, mit Wonne ziehen sie Polizisten durch den Kakao. Immer wieder versuchen Rechtsextremisten Konzerte zu sabotieren und die Musiker einzuschüchtern. Die lassen sich davon kaum beeindrucken. Lebensfreude und Heimatverbundenheit setzen sie der weit verbreitete Perspektivlosigkeit in ihrer Region entgegen, ohne die Zustände zu beschönigen.
Ungeschönte Bilder
Heimatverbundenheit und Punksongs? Auch von diesem scheinbaren Widerspruch erzählt „Wildes Herz“. Aber auch von der hemmungslosen Direktheit und Unangepasstheit des nicht nur im verbalen, sondern auch im körperlichen Sinne wuchtigen „Monchi“. Hübner zeigt ihn bei markigen Ansagen bei Livekonzerten oder wenn er durch saftige Wiesen stiefelt.
„Heimat ist für ihn nicht nur eine abstrakte Idee, nichts Verklärtes, keine Postkitschkarte, sondern ein gelebtes Gefühl“, sagt Hübner in einem Interview. „Es ist das Gefühl, dort bleiben zu wollen, wo man glücklich war und ist. Dafür steht er, genau wie die ganze Band. Die lieben ihre Heimat. Deshalb ist dieser Film auch ein Heimatfilm.“
Was ist hinter dem Schleier?
Die für Gorkow und seine Songs typische Energie ist auch im Film stets spürbar. Ob während der Livemitschnitte oder in Interviewpassagen. Hin und wieder fragt man sich, wie viel Selbstinszenierung hinter dem Auftreten des 31-Jährigen steckt. Hübner, in Neustrelitz geboren und mit den trüben Seiten Mecklenburg-Vorpommerns bestens vertraut, leistet wenig, um den Schleier zu lüften und verharrt weitgehend in der Perspektive der Hauptfigur. Wie auch in vielen anderen Biopics über Musiker erweitert die Befragung von Wegbegleitern den Erzählrahmen nur bedingt.
Umso mehr prägen sich die Momente ein, in denen die Schattenseiten von Gorkows Charakter zumindest angeschnitten werden. Zudem ist der Sänger auch in ungeschönten Bildern zu erleben, etwa mit verschwitztem nackten Oberkörper im Tonstudio. Aber auch diese ebenso derbe wie leidenschaftliche Szene passt zum Bild, das man von Gorkow und „Feine Sahne Fischfilet“ hat. Zu einem ganz eigenwilligen Bild von Haltung.
Info: „Wildes Herz“ (Deutschland 2017 ), ein Film von Charly Hübner, 90 Minuten, jetzt im Kino