Gao Xingjian, 1940 im Osten Chinas geboren, lebt seit 1987 in Paris. Er studierte in Peking französische Literatur. Anschließend wurde er im Zuge der Kulturrevolution zur "Umerziehung" aufs Land geschickt, wo er in einem Dorf 5 Jahre Feldarbeit zu leisten hatte. Als Xingjian 2000 den Literaturnobelpreis bekam, lehnte China diese Entscheidung offiziell ab. Der Grund hierfür war einfach: Der Autor lebte seit mehreren Jahren im Exil und er beschrieb in seinen Werken die immer noch unbewältigten Folgen der Kulturrevolution ohne dabei Rücksicht auf das sprachliche Reglement Chinas zu nehmen. Xingjians wichtiger Roman "Das Buch eines einsamen Menschen" ist bereits 2006 auf Deutsch erschienen. Er sorgte für Aufsehen, denn Xingjian schildert darin detailliert die verheerenden Konsequenzen der Kulturrevolution für den einzelnen Menschen. Nun ist sein Erzählband "Die Angel meines Großvaters" in deutscher Sprache herausgekommen. Die Erzählungen stammen aus der Zeit von 1982 bis1986. Xingjian arbeitete damals für das Pekinger Volkstheater und erwarb sich den Ruf des Begründers des absurden Theaters in China. Erinnerung an längst vergangene Zeiten In seinen Erzählungen versucht Xingjians, sich an längst vergangene Zeiten zu erinnern. Nur bruchstückhaft und langsam kehren die Erinnerungen wieder, die aus einer besseren und glücklicheren Zeit - vor der Kulturrevolution - stammen. Oftmals geht es um zwei Menschen, die sich nach einer langen Zeit wiedersehen. Ehemalige Freunde aus Kindertagen, Jugendlieben oder frühere Studienkollegen treffen sich. Sie erzählen einander, wie es ihnen während und nach der Kulturrevolution ergangen ist. Die Spannbreite ihrer Gefühle reicht von Freude über Enttäuschung bis hin zur Trauer. Auch die Erfahrung, dass man sich nach dieser langen Zeit einfach nichts mehr zu sagen hat, wird gemacht. Mitunter werden ganz subjektive Momente reflektiert: Da sind z.B. Erinnerungen an die längst verstorbene Mutter und das schlechte Gewissen des Erzählers. Im Nachhinein bedauert er, sich zu wenig um sie gekümmert zu haben. Von Freundschaft, Glück und Liebe Recht kurzweilig kreisen die Erzählungen um und alltägliche Dinge: Ein Krampf beim Schwimmen, ein Unfall, die Angel des Großvaters oder ein einzelner Augenblick wecken Erinnerungen und Gefühle, die schon fast vergessen waren. Wie eine Assoziationskette bauen sich deshalb einige Geschichten auf. Sie vermitteln einen ganz persönlichen Eindruck des Erzählers, der betroffen macht. Neben den unübersehbaren Spuren der politischen Verfolgung geben sie auch alten Werten wie Freundschaft, Liebe und Hoffnung Raum. Einfühlsam und anschaulich geschrieben, haben die Erzählungen hin und wieder einen existentialistischen Unterton. Dieser führt den Leser stellenweise in die Irre und wirkt mitunter fehl am Platz. Insgesamt ein sehr lesenswertes Buch, der eher ungewöhnlichen Art! Edda Neumann Gao Xingjian: Die Angel meines Großvaters, S. Fischer, 2008, 206 Seiten, 19,90 Euro, ISBN-13: 978-3100245021
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