Wie mit der Reformation eine Bildungsrevolution begann
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Vor 500 Jahren verbreitete Martin Luther seine 95 Thesen von Wittenberg aus in die Welt und setzte die kirchliche Erneuerung in Gang, die zum Entstehen der evangelischen Kirche führte. Doch die Reformation war mehr als Martin Luther. Sie war eine Bewegung vieler Menschen hin zu einem kritischen Geist, zu Reform und der Beteiligung des Volkes. Mit der Erfindung des Buchdruckes wurden Bücher und Flugblätter breiten Bevölkerungsschichten zugänglich. Universitäten wie die Leucorea in Wittenberg entwickelten sich zu Zentren junger, humanistischer Denker. Kritische Köpfe wie Luther, Melanchthon oder Erasmus von Rotterdam brachen alte Denkmuster auf. Eine wahre Bildungsrevolution begann.
Bildung auch für das einfache Volk
Luther wollte die christliche Botschaft allen zugänglich machen. Das Evangelium bedeutete ihm Freiheit. Frei steht der Mensch vor Gott, selbstständig soll er in Schrift und Gebet nach Gott suchen können. Dazu wurden Gottesdienste und Bibellesungen nicht mehr auf Latein, sondern in der Sprache des Volkes gehalten. Wirklich frei ist aber nur, wer befähigt wird, seine Potenziale auszuschöpfen. Bildung blieb kein Privileg des Adels. Auch das einfache Volk sollte in die Schule gehen und lesen lernen. Denn jeder und jede sollte die Bibel lesen können.
Luther wurde klar, dass es eine allgemein verständliche Bibel brauchte. Und so übersetzte er die Bibel ins Deutsche und schuf damit einen Meilenstein deutscher Bildungs- und Kulturgeschichte. Doch nicht nur das Was, sondern auch das Wie war für Luther wichtig. Luther fand, man soll „dem Kutscher aufs Maul schauen“ und schreiben, wie die normalen Menschen reden. Einfache, klare Sprache. Das kann man auch heute noch so manchen Politikern empfehlen, die hinter Polit-Jargon Unklarheit oder fehlende Haltung verbergen. Luther übersetzte nicht immer wörtlich, sondern bilderreich und volksnah. Seine Sprache wurde prägend für das Deutsch der kommenden Jahrhunderte und wirkte tief in die Kultur, Musik und Dichtung hinein.
Die Werte der Reformation prägen auch die SPD
Die Anliegen der Reformation waren damals wie heute wichtig. Sie prägten das Verständnis von Teilhabe, Bildung und Gerechtigkeit. Werte, die auch für uns Sozialdemokraten bis heute bestimmend sind. 500 Jahre später sind wir immer noch nicht da, wo wir sein wollen: bei freier Bildung und Teilhabe für alle. Zu oft hängt der Bildungserfolg von Kindern weiterhin vom Elternhaus ab. Zu oft streichen wir an den falschen Stellen, zum Beispiel an der kulturellen und religiösen Bildung. In einer vielfältigen Gesellschaft müssen aber Dialoge über Wertvorstellungen, Normen und Verhaltensweisen gestärkt werden. Das ermöglicht gegenseitiges Verständnis und Akzeptanz. Wer weiß, wo er selbst kulturell und religiös steht, kann Verschiedenheit leichter respektieren.
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ist stellvertretender SPD-Vorsitzender sowie Fraktions- und Landesvorsitzender der SPD in Hessen. Er ist Vorsitzender des Kulturforums der Sozialdemokratie.