Kultur

Wie lange sie regieren will

von Jörg Hafkemeyer · 16. April 2013

Der Bild-Journalist Nikolaus Blome schreibt über Kanzlerin Angela Merkel (CDU). „Die Zauder-Künstlerin“ heißt sein Buch. Dass es weitgehend meinungsfrei ist, macht der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD), bei der Buchvorstellung in Berlin deutlich.

Es gibt eine beeindruckend gescheite Abhandlung des Journalisten Jürgen Leinemann über Helmut Kohl in Wilhelm von Sternburgs Buch „Die deutschen Kanzler“. Diesen Text hätte sich der Bild-Journalist Nikolaus Blome vornehmen sollen, ehe er sein jetzt in Berlin vorgestelltes Buch „Angela Merkel – Die Zauderkünstlerin“  geschrieben hat. Aber vielleicht auch nicht, denn dann wäre ihm aufgefallen, das es einen Unterschied gibt, über politische Geschichte zu schreiben oder Geschichten aus der Politik zu erzählen. 

Ein relativ meinungsfreies Buch

Es ist Wahlkampf im Land. Martin Schulz, der sozialdemokratische Präsident des Europaparlaments war direkt nach dem Bundesparteitag in Augsburg nach Berlin gekommen, um das Buch des stellvertretenden Bild-Chefredakteurs und Leiter des Hauptstadtbüros vorzustellen.

Schulz hat eine fröhliche Gelassenheit und Humor, attestiert dem der Kanzlerin nahe stehenden Autor ein relativ meinungsfreies Buch, das „dem Leser das Urteil überlässt“. Anders formuliert: Blome will bei Angela Merkel nicht anecken. Die kennt er lange. Martin Schulz kennt sie auch. „Nicht so lange, wie Blome,“ aber anders. Manches Gefecht hat der Parlamentspräsident mit der Bundeskanzlerin ausgefochten: „Ich schätze ihren Humor und ihre Verbindlichkeit. Ihre Europapolitik halte ich in Teilen für verkehrt.“ Ebenso wie die Konferenzen der Europäischen Regierungschefs unter weitgehendem Ausschluss des Parlaments. 

Ist die Nachfolge-Debatte eröffnet?

Martin Schulz kennt Nikolaus Blome aus dessen Zeit in Brüssel, weiß um dessen und seines Blattes Nähe zur Kanzlerin. Weshalb er sich vor allem eine Passage aus dem Buch vornimmt, die, wo Blome schreibt:  Die Bundeskanzlerin wird 2015, mit 60 Lebensjahren zurücktreten. Das „verkauft“ er als Neuigkeit!

Schulz ist bei dieser sehr gut besuchten Veranstaltung in einem Saal nahe am Brandenburger Tor sichtlich erfreut und sagt es so: „Nun ist die Nachfolgedebatte eröffnet. Selbstverständlich gehört die Frage, ob der Kandidat oder die Kandidatin für die ganze Legislaturperiode zur Verfügung steht in einen Wahlkampf.“ Und lächelt.

Offenbar findet das die Regierungschefin auch. Sie lässt zur gleichen Stunde in der Bundespressekonferenz ihren Sprecher Steffen Seibert sagen: „Die Bundeskanzlerin tritt bei der Bundestagswahl selbstverständlich für eine ganze Amtszeit an.“ Von wegen Neuigkeit! Es hat am 30. März, das war der Sonnabend vor Ostern einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung von Evelyn Roll unter der Überschrift „Frau Alpha-Eins“ über Angela Merkel gegeben. Ob sie nach der kommenden Bundestagswahl als Kanzlerin weiter machen würde: „Dann wird sie es durchziehen bis 2017. Ihre Leute im Kanzleramt sagen: Sie wird ganz sicher nicht in der Mitte der nächsten Legislaturperiode aussteigen für ein europäisches oder ein anderes Amt.“

Das Votum der Bürger entscheidet

Ach ja, Blomes Merkel-Buch. Es werden in ihm wichtige, für die deutsche Politik entscheidende Fragen gestellt. Eine Auswahl. Wie ist Angela Merkel so aus der Nähe? Warum hält sie die Hände immer so komisch? Sagt sie auch mal Scheiße? Und eben: Wie lange will sie eigentlich noch regieren? Was für eine Frage? Als wenn das nicht im Wesentlichen von ihrem Willen sondern vom Votum der Bürger abhängt. Es ist Wahlkampf im Land. Das ist auch die Zeit des Konjunkturjournalismus. Wen schreibe ich runter? Wen schreibe ich rauf? Ein Beispiel mehr liegt jetzt in den Buchläden. Das Layout ist übrigens in schwarz-grün gehalten!

Nikolaus Blome: „Angela Merkel. Die Zauder-Künstlerin“, Pantheon Verlag, München 2013, 208 Seiten, 16,99 Euro, ISBN 978-3-570-55201-8

Autor*in
Jörg Hafkemeyer

ist Journalist, Gast-Dozent für Fernsehdokumentation und -reportagen an der Berliner Journalistenschule und an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin sowie Honorarprofessor im Studiengang Kulturjournalismus an der Berliner Universität der Künste (UdK).

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