Kathi König ist eine echte Berliner Schnauze. Während sie ihrer Kundin die Haare wäscht, Strähnchen legt und mit der Schere hantiert, quasselt sie in einer Tour. Fröhlich ist sie, die Kathi und voller Energie. Umso mehr wundert sich die Frau im Frisierstuhl, die gerade über kaputte Bandscheiben geklagt hat, als Kathi sagt: "Bandscheibe? Da kann ich nur lachen. Ich habe Multiple Sklerose. Und im letzten Jahr fast alles verloren, was mir wichtig war." Die Kundin schluckt. Und Kathi lacht: "Trotzdem fühl ick mir gut. Komisch, wa? So´n bisschen wie der Hans im Glück."
So fängt der neue Film von Doris Dörrie an, der am Donnerstag in die deutschen Kinos kommt. Was folgt, sind knapp zwei Stunden fröhliches Mutmachen. Mut, auch schwierige Lebenssituationen meistern zu können, Mut, dass es immer weiter geht im Leben, auch wenn man gerade denkt; jetzt ist der Ofen endgültig aus. Mut, sich nicht unter kriegen zu lassen, auch wenn man das Gefühl hat, nicht dazuzugehören. Und dieses Gefühl beschleicht Kathi öfter. Sie ist nämlich dick. Nicht pummelig oder stark gebaut, nicht mollig, nein, sie ist richtig dick.
"Diskriminierung als zweiter Vorname"
Um morgens aus dem Bett zu kommen, zieht sie sich mit einem Springseil hoch, dass sie an der Wand befestigt hat. Als Kathi krank wird, soll eine Computertomographie gemacht werden, doch sie passt kaum in die enge Röhre. Der Arzt schlägt als Alternative ein Gerät für große Tiere vor - falls Kathi sich nicht diskriminiert fühle. "Ach", winkt die ab, "Diskriminierung ist mein zweiter Vorname".
Weil ihr Mann sie mit der (schlanken) besten Freundin betrogen hat ist Kathi mit ihrer halbwüchsigen Tochter in ihre alte Heimat, nach Berlin-Mahrzahn, gezogen. Sie sucht einen Job und scheint das Passende gefunden zu haben. Doch die Kolleginnen mit Modellmaßen, die im "Salon Krieger" Haare schneiden, lassen schon ahnen, was folgt: Die schmale Chefin (schön zickig: Maren Kroymann) mustert Kathi, die nicht nur dick ist, sondern auch noch selbstbewusst und ihre Pfunde gerne in knallbunte enganliegende Kleider steckt; deren Bananenkette und Kirschohrringe und serviert sie ab: "Sie sind nicht ästhetisch."
Das ist ein Schlag in die Magengrube und es ist bei weitem nicht der einzige, den Kathi im Verlauf des Films einstecken muss. Doch immer wieder rappelt sie sich auf, sammelt Energie und macht weiter. Und genau diese Kraft ist es, die Doris Dörrie beeindruckt hat. Zum allerersten Mal hat die Regisseurin ein fremdes Drehbuch verfilmt. Die Geschichte der Kathi König hat sie beeindruckt. "Und ich hatte das Gefühl, dass ich dieser Geschichte auch etwas hinzufügen kann, dass dieser Film mich auf eine Weise auch brauchen kann", sagt Dörrie.
Dabei spiele Kathis Gewicht eine große Rolle. Scheinbar schonungslos zeigt "Die Friseuse" ihre Körpermasse: wogende Brüste, fleischige Oberschenkel, einen großen Hintern. Hauptdarstellerin Gabriela Maria Schmeide stöhnt und seufzt als Kathi, quält sich Treppen hinauf und quetscht sich zwischen zu schmale Stuhllehnen. Dabei wird die Figur aber nie bloßgestellt, sie ist nie hässlich oder "unästhetisch". Dörrie ging es darum, "deutlich zu machen, was es für sie innerlich bedeutet, dick zu sein und welche physische Kraft und Mühe sie braucht, um sich immer wieder erneut in Schwung zu bringen".
Vorbereitung zum Film: Doris Dörrie als Dicke
Eine gewisse Vorstellung davon, was das bedeutet, hat Doris Dörrie inzwischen auch. Die schlanke Filmemacherin hat sich zur Vorbereitung auf "Die Friseuse" einen so genannten Fatsuit unter die Kleider gezogen, der sie zur Dicken machte. Ihre Erfahrung: "Nach wenigen Stunden war ich den Tränen nahe." Verkäufer lachten sie aus, ein Kind beschimpfte sie, jeder starrte sie an. "Ich habe nachvollziehen können, welche ungeheure Kraft Kathi König jeden Tag aufbringen muss, um all dem entgegenzutreten und auch noch gut gelaunt zu sein."
"Die Friseuse" hat übrigens ein reales Vorbild. Kathleen Cieplik ist nicht ganz so dick wie ihre filmisches Pendant und wohnt auch nicht in Mahrzahn, sondern in Prenzlauer Berg.
Diskriminierung hat sie aber auch erfahren und vor allem hat sie mit ihrer Fröhlichkeit und ihrer Energie Drehbuchautorin Laila Stieler (u.a. Die Polizistin, Wolke 9) imponiert. Deshalb ist "Die
Friseuse" auch nicht nur für dicke Menschen eine Aufmunterung, sondern für jeden. Denn wer ist noch nicht unfreundlich vom Bankberater begrüßt worden, beim Bewerbungsgespräch abgeblitzt oder hat
sonstige Tiefschläge wegstecken müssen. Wie man trotzdem "Hans im Glück" sein kann, verrät dieser Film.
Kinostart: 18. Februar
Trailer: