Kultur

Wie das „Prinzip Pop“ Donald Trump zur Präsidentschaft verhalf

Donald Trump ist Milliardär, Entertainer, politisch unerfahren – und von heute an US-Präsident. Wie konnte es dazu kommen? Autor Georg Seeßlen sucht in seinem Essay „Trump! Populismus als Politik“ nach Antworten.
von · 19. Januar 2017
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Heute ist es soweit: Donald Trump wird ganz offiziell in das Amt des US-amerikanischen Präsidenten eingeführt. Der Mann, der über keinerlei politische Erfahrung verfügt, dessen Haltung eher an die eines breitbeinigen Cowboys erinnert und dessen Frauenbild haarsträubend ist. Immer noch steht die Frage im Raum: Wie konnte das passieren? Wie konnte ein Mensch wie Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt werden?

Einen neuen Blickwinkel auf den 45. US-Präsidenten eröffnet Georg Seeßlens Essay „Trump! Populismus als Politik“ (Bertz + Fischer). Der Autor analysiert Trump als Produkt der Pop- und Kulturindustrie. „Pop kann und will nicht unpolitisch sein (so sehr es manche Protagonisten auch beteuern), aber offensichtlich kommt auch Politik nicht mehr ohne Pop aus. Pop und Politik verschwimmen immer mehr ineinander, aber sie sind sich auch spinnefeind“, schreibt Seeßlen.

Vernunft ist für Eliten

Zwei große Erzählungen stünden sich gegenüber: Da ist einmal der ökonomisch-politische Diskurs. Hier geht es um Informationen, Gesetze und Modelle, um Ursache und Wirkung. Es herrscht eine Verpflichtung zur Logik und Vernunft. Dem gegenüber steht die Erzählung des Entertainment: Kino, Stars, Sport, Events und Show. Hier geht es nicht um Logik, sondern um Emotionen, Bilder und Effekte. Vernunft gilt als „elitäres Instrument“, von dem es sich zu befreien gilt.

Der Mensch lebt in beiden Welten und weiß eigentlich sehr gut zwischen ihnen zu unterscheiden. Allerdings, so Seeßlen, seien Pop und Politik mittlerweile endgültig verschmolzen und nun stehen sich nicht mehr nur zwei Erzählungen gegenüber, sondern zwei Wirklichkeiten. Geht es um das Phänomen Donald Trump, hat die Erzählung der ökonomisch-politischen Rationalität verloren – auch dann, wenn Trump sich über Nacht in einen berechenbaren und vernünftigen Politiker verwandeln sollte.

Trump – ein autoritärer Rebell

Seeßlen arbeitet heraus, dass Trump gleichzeitig mehrere zentrale Figuren der Entertainment-Erzählung verkörpert. So ist er ein Volksheld wie Burt Lancaster in „Der Regenmacher“: „Kein Revolutionär, kein Demokrat und kein Staatsagent, aber er hat ein wenig von allem. Er kämpft zugleich gegen das Establishment und gegen das Chaos, ein autoritärer Rebell, ein Anarchist von rechts. Er schützt hier die Besitzverhältnisse und krempelt sie dort um, tritt hier für den Fortschritt ein und verhindert ihn da.“ Trump selbst ist sich dieser Rolle durchaus bewusst, imitiert bei seinen Auftritten Gesten von Western- und Superhelden. Ein entscheidendes Merkmal des Volkshelden und auch Donald Trumps ist Anti-Intellektualismus: Statt um Erkenntnis geht es um Authentizität, um ein Sich-Absetzen von der arroganten Elite.

Trump ist einerseits ein Produkt des Entertainment-Erzählung. Andererseits wendet er das „Prinzip Pop“ selber an. Seeßlen schreibt: „Donald Trump treibt eine Veränderung der Verhältnisse in Kapital, Medien und Politik voran. Genauso aber auch: Die Veränderung der Verhältnisse in Kapital, Medien und Politik erzeugen einen Donald Trump.“

Die Figur Trump mag im Mittelpunkt von Seeßlens Essay stehen, eigentlich geht es dem Autor aber um so viel mehr als ihn: nämlich um das Ende der Demokratie. Seine Geschichte, so Seeßlen, „handelt davon, dass die Demokratie, so wie wir sie kannten (so sagt man wohl), mit allen ihren Schwächen und Widersprüchen, nicht mehr der Normalfall sein wird und dass ihre Erzählung langsam im Nebel eines Diskursmärchens verschwindet.“

Seeßlen: Demokratie ist nicht zu retten

Für Georg Seeßlen ist die Demokratie schlicht und einfach nicht mehr zu retten: Der Trumpismus steht sinnbildlich für eine Politik des Postfaktischen, für das Errichten einer eigenen Wirklichkeit jenseits von Vernunft und Moral. Seeßlen fragt danach, was passiert, wenn die Demokratie nicht mehr mehrheitsfähig ist, wenn Trump und der damit verbundene Trumpismus nicht nur schlimme Episoden bleiben, sondern institutionalisiert werden. Er fragt nach der Macht eines sogenannten Volkes, welches, Pop-Erzählung hin oder her, Trump wirklich gewählt hat – weil es ihn und seine Politik wollte. Es ist die am wenigsten überraschende, aber erschütterndste Einsicht des Buches.

Georg Seeßlen: Trump! Populismus als Politik, erschienen bei Bertz + Fischer, ISBN 978-3-86505-745-7

 

 

 

 

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