Kultur

Wibke Bruhns: Furchtlos und neugierig

von Renate Faerber-Husemann · 21. September 2014

Mutig, neugierig, unbefangen, unbeeindruckt von großen Tieren und eine brillante Schreiberin, das ist Wibke Bruhns, die am 8. September 75 Jahre alt wird.

Sie hat Bücher geschrieben, die Bestseller wurden, über Israel, über ihren Vater, der als Mitwisser des 20. Juli-Attentats hingerichtet wurde, über ihr Leben als Journalistin.  Dennoch erinnern sich viele vor allem daran, dass sie als erste Frau im ZDF Nachrichten präsentieren durfte. „Langweilig“, sagt sie, denn die Texte schrieben andere.

Egon-Erwin-Kisch-Preis für Reportage über Vietnam-Denkmal 

Furchtlos war sie als Journalistin, hat im Sinne von Egon-Erwin Kisch aufgeschrieben, was sie gesehen hat und hat dafür auch den gleichnamigen Preis erhalten für eine fantastische GEO-Reportage über das Vietnam-Denkmal in Washington. Furchtlos war sie auch, als sie nach dem Tod ihres Ehemannes als alleinerziehende Mutter mit zwei kleinen Töchtern für den „stern“ nach Israel ging und auch über dieses komplizierte Land unvergessliche Reportagen schrieb.

Furchtlos war sie auch, als sie sich 1972 in der SPD-Wählerinitiative engagierte, obwohl sie das ZDF-Nachrichtengesicht war. Heute würde sie dafür vermutlich gefeuert werden. Für sie hatte das vielleicht etwas mit Dankbarkeit (und gewiss auch mit Spaß an diesen Einsätzen) zu tun, denn diese Regierung Brandt-Scheel hatte den Mief der Adenauer- und Erhard-Jahre ausgeräuchert. Bruhns war auch von der herausragenden Politikerpersönlichkeit Brandt fasziniert. Mit Rut Brandt, seiner Frau, war sie befreundet.

Woher kam dieser Mut, immer zu tun, was sie für richtig hielt? Sie schmiss ein Volontariat bei der Bild-Zeitung aus politischen Gründen. Sie verließ die sichere ZDF-Stelle, weil es öde war. Sie wechselte ihr ganzes Berufsleben lang Arbeitgeber, Länder, Kontinente, wenn sich journalistisch Spannenderes ergab.

Exemplarische Familiengeschichte

Vielleicht liegt eine Erklärung in ihrer Familiengeschichte. Von früher Kindheit an hatte sie gelernt, dass der Boden unter den Füßen, auf dem sie stand, schwankend war. Der Vater wurde hingerichtet, das Vermögen der angesehenen Kaufmannsfamilie in Halberstadt bis zum letzten Pfennig eingezogen. Die Mutter von fünf Töchtern war absolut mittellos, bekam nach dem Krieg einen gering dotierten Posten an der Botschaft in Stockholm. Wibke Bruhns, die Jüngste, wuchs in Internaten auf. Eingebrannt hat sich ihr eine Gedenkveranstaltung für die 20.-Juli-Attentäter in den 50er Jahren im Bendlerblock in Berlin: Es gab viele schöne Worte, aber die junge Wibke dachte voller Zorn an die wohlversorgten Witwen der Nazirichter und an die ewigen demütigenden Geldsorgen im Hause Klamroth. Schimpfend verließ sie die Veranstaltung.

Ihr Buch über „Meines Vaters Land. Geschichte einer deutschen Familie“ wird Bestand haben, denn es steht exemplarisch für viele Familiengeschichten jener Zeit – und ist überragend gut geschrieben. Sie macht keinen Helden aus dem Vater, der lange Zeit infiziert war vom Nazigedankengut. Auch Antisemitismus war den Eltern nicht fremd. Was ihn spät zum Widerstandskämpfer gemacht hat, ist Wibke Bruhns trotz der intensiven Beschäftigung mit ihrer Familie ein Rätsel geblieben.  

Autor*in
Renate Faerber-Husemann

(† 2023) war freie Journalistin in Bonn und Erhard-Eppler-Biografin.

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