Interview mit Kati Wolf,
aufgenommen 8.5. vor den ersten Generalproben zum ersten Semifinale:
Vorwärts.de: Kati, What about your dreams?
Kati Wolf: (lacht)
Zugegeben, eine dumme Frage, die Dir schon hundertfach gestellt wurde, aber wir wollen es auch wissen: Was erwartest Du?
Ich habe natürlich Träume, große und kleine, aber normalerweise rede ich darüber nicht, da ich Angst habe, sie zu früh preiszugeben. Aber wenn sie sich erfüllen, werde ich darüber mit Euch reden, ok?
Gerne. Zum Text Deines Liedes: Es geht um eine Frau, die ihre eigenen Träume und Wünsche hat und um ihre Angst, diese in einer Beziehung unterordnen oder aufgeben zu müssen.
Ja, und der jetzige Text ist eine sehr gute Übertragung des ungarischen Originaltextes: es geht um Liebe, und was mit dir passiert, wenn du in einer Beziehung bist. Und ich bin mir sicher, dass jeder solche Gefühle kennt.
Hattest Du Einfluss auf den englischen Songtext?
Das war eine lustige Sache: Zunächst schrieb der Komponist den Song - ohne Text. Dann nahmen wir es mit englischen Vokabeln und Wörtern auf, die mir eben so einfielen. Ich sang allerlei Phantasie-Englisch, was mir eben so durch den Kopf ging und was sich wie Englisch anhörte. Und eben auch What about my life? What about my dreams? Das hörte sich gut an und ich bat den Texter, Elemente meiner Version zu übernehmen, was er dann auch getan hat. Ich finde, es klingt gut und der englische Text passt gut zur Melodie und zu meiner Stimme.
Aber Du singst auch eine Strophe auf Ungarisch? Warum?
Alle, die sich mit Eurovision auskennen, haben uns geraten , Englisch zu singen, weil man das Lied dann besser versteht, aber wir wollten auch die ungarische Sprache präsentieren - es macht das Lied interessanter und schöner. Ich hoffe, dass es ein guter Mix ist.
Es gab in Ungarn dieses Jahr keine Vorentscheidung sondern eine interne Auswahl durch das ungarische Fernsehen. Wie lief der Auswahlprozess ab?
Wir nahmen den Song auf, es war früh am Morgen nach einer langen Nacht; wir liebten den Song, wir hörten ihn immer wieder an und der Komponist und ich sagten: Das ist ein Festival-Song! Das schlugen wir dann dem ungarischen Fernsehen vor und sie riefen uns irgendwann zurück und sagten: das nehmen wir!
Du hast an der Musikakademie studiert und Abschlüsse in Solfège und Chorgesang gemacht?
Ja, vor allem Musiktheorie. Ich bin ausgebildete Musiklehrerin und auch Orchesterleiterin, aber ich habe niemals als Musiklehrerin gearbeitet. Aber die Ausbildung war wichtig für mich, denn auch Singen ist eine Art Job, den man erlernen kann. Man kann die Geheimnisse der Musik lernen. Man muss Musiktheorie kennen. Mein Land ist das Land von Zoltán Kodály und Béla Bartók. Musik muss man einfach auch erlernen!
Was hast Du vor dem ESC beruflich gemacht?
Im letzten Jahr war ich in der ungarischen X-Faktor-Staffel dabei. Ich habe als Siebenjährige die Titelmelodie einer sehr erfolgreichen Fernsehserie gesungen und war dadurch sehr bekannt
damals. Ich habe dann studiert und arbeitete als Sängerin, aber die Leute kannten mich nicht mehr und das wollte ich wieder ändern. Durch die Sendung X-Faktor änderte sich wieder einmal mein
Leben.
Am 1. Januar im letzten Jahr wurde meine kleine Tochter geboren und dann kam ich zu X-Faktor - ein phantastisches Jahr!
(lacht)
Wunderbar - und kamst Du mit diesem Doppel-Job irgendwann auch zu etwas Schlaf?
Gar nicht. Aber hier jetzt in Düsseldorf - ich bin das gar nicht mehr gewöhnt - kann ich endlich mal ausschlafen. (lacht)
Wir haben im Presse-Screening Deiner ersten Proben Deine ältere sechsjährige Tochter in der ersten Reihe sitzen sehen. Sie hatte große Augen und schien mächtig stolz auf Dich!
Ja, das stimmt. Sie war, wir alle waren so beeindruckt von der Arena. Das ist bestimmt beeindruckend für ein sechsjähriges Mädchen… (leise) …sie hat etwas von mir.
Ist Dein Song in Ungarn ein kommerzieller Erfolg?
Ja, es wurde im ungarischen Radio gespielt und wir bekamen viele SMS: Sendet das Lied zur Eurovision, denn sie empfanden dasselbe wie wir. Das war und ist wichtig für mich: zu wissen, dass so viele hinter dem Lied und mir stehen.
Welchen Stellenwert hat in Ungarn der Eurovision Song Contest?
Jeder schaut ihn sich an, jeder erinnert sich an den vierten Platz 1994 und jeder ist stolz darauf. Ich hoffe, auch wir können unser Bestes tun.
Wie ist die ungarische Musikszene? Ist es schwierig, außerhalb von Ungarn bekannt zu werden? Ist es schwierig, in Ungarn Musik zu machen und davon leben zu können?
Lasst uns darüber besser erst später reden. Jetzt bin ich sehr bekannt in meinem Land und gebe Konzerte - ich hoffe, das bleibt auch erst einmal so. Wenn ich in zwanzig Jahren noch als Sängerin tätig sein kann, würde mich das freuen, aber es ist eben auch ein harter Job!
Kennst Du die Songs Deiner Konkurrenz hier?
Ja, natürlich!
Hast du persönliche Favoriten?
Klar habe ich die, aber ich glaube, die behalte ich lieber für mich. Ich mag dann ein Lied, wenn ich Leidenschaft in der Stimme verspüre.
Unabhängig vom Stil, also sowohl Up-Tempo-Songs als auch Balladen?
Ja!
Hat deine Tochter Favoriten?
Ja: Mich! (lacht) Sie mag Tanzen und deswegen die rhythmischen Lieder und sie bevorzugt prinzipiell Sängerinnen (lacht laut), noch, aber wenn sie ein Teenager ist, wird sich das bestimmt ändern.
Es gibt ja einige 'Hits for Kids' im Programm…
Ja, sie mag Haba Haba sehr gerne, da kann sie mitsingen, das ist wichtig, auch wenn sie die Sprache nicht versteht. Und die Portugiesen findet sie sehr lustig.
Wir schreiben ja für eine Zeitung mit dem Schwerpunkt Politik…
Oh - das klingt ja schlecht (lacht)
Das heißt, dass Du Politik nicht magst?
In meinem Land ist politisch für uns nichts zu erreichen...
(Pause)
Aber stellt ruhig Fragen!
Du bist mit Deinem Song bei den ESC-Fans sehr beliebt, wenn die auch nicht die Televotings bestimmen. Solltest Du den Song Contest aber gewinnen und der ESC im nächsten Jahr in Budapest stattfinden, werden wie immer auch sehr viele schwule Fans kommen. Wie werden die empfangen?
Sie werden willkommen geheißen. Mein Land hat sich in den letzten zwanzig Jahren stark verändert - wie ganz Europa. Wir sind in der EU und die Menschen sind sehr viel offener geworden.
Wir lasen aktuell über Probleme mit dem für Juni geplanten Gay-Pride in Budapest, der verboten werden sollte…
Das ist wirklich nur ein ganz kleiner Teilaspekt. Ich bin überzeugt, das Allerwichtigste ist, dass Menschen ihre Persönlichkeit leben können. Ich gehe hin und wieder in schwule Klubs und für mich ist es einfach nur ganz normal.
Was wirst du in den nächsten Tagen tun, Kati?
Heute habe ich Interviews, darum bin ich hier (lächelt) , dann haben wir am Nachmittag Proben, gestern war der Stadtempfang, heute essen wir als Team noch einmal gemeinsam zu Abend, das ist ganz wichtig.
Wie hat dir der Stadtempfang gefallen?
Fü r eine Sängerin war es traumhaft. Man fühlte sich wie in Hollywood. Es war so gut. Fans waren da. Sie sprachen mich auf Ungarisch an und das war ein tolles Gefühl, da sie eben keine Ungarn sind und trotzdem meinen Liedtext auf Ungarisch kannten. Und so viel Presse war da - ja, ich fühlte mich gut. (strahlt) Aber ich vergesse dabei nicht, mich auf den Song zu konzentrieren, da die meisten Zuschauer mich am 10. Mai zum ersten Mal in ihrem Leben sehen und hören werden Sie haben keine Informationen über mich und den Song. Und ich habe nur drei Minuten.
Fühlst du dich gut unterstützt von der Technik, dem Bühnenbild und der Beleuchtung? Bist du zufrieden?
Ja, es war gut, ich war vollkommen zufrieden - bei der ersten Probe trugen wir die Auftrittskleider, bei der zweiten hatte ich zwar nur Jeans und T-Shirt an, dafür aber die hochhackigen Schuhe, weil es auf die richtigen Schritte ankommt. (klackert mit den Füßen)
Ja, es ist ja auch eine Tanznummer!
Beides - es ist rhythmisch, aber auch balladesk…
Wir finden, dass es etwas aus den Achtziger hat, dabei aber auch sehr modern ist…
Ja, genau das wollte ich - ein Lied der Neunziger (sic!) , also die Musik, die ich liebe, aber eben auch ein moderner Song.
Wir wünschen Dir viel Erfolg und bedanken uns für das Gespräch!
Danke schön!
Ungarn hat beim Eurovision Song Contest achtmal teilgenommen, zum ersten Mal 1994 mit einem vierten Platz als bisher bestes Ergebnis. 2010 in Oslo waren die Ungarn nicht dabei, doch in Düsseldorf - in der Zeit der Ratspräsidentschaft der EU - will Ungarn wieder ein gutes Ergebnis nach Hause holen. Das Rezept dafür ist die 36-jährige Kati Wolf mit ihrem Song What About My Dreams?. Die ausgebildete Musiklehrerin, deren musikalische Vorbilder Whitney Houston und Freddy Mercury sind, kommt mit einer Disco-Hymne nach Düsseldorf, die in den Monaten vor dem ESC bei Fans europaweit eine Favoritenrolle einnahm. Diese Favoritenrolle nimmt sie selbst gelassen. Im Gegensatz zu anderen Favoritinnen trafen wir sie einige Male im Euro-Club oder einfach beim Email-Schreiben im Pressezentrum. Kati Wolf hat im Semifinale am vergangenen Dienstag das Ticket fürs Finale bekommen, wo sie als Startnummer 5 antreten wird. Vorwärts.de sprach bereits zuvor am vergangenen Sonntag mit der ungarischen Teilnehmerin.