Kultur

Weltzugewandtes Künstlertum

von Birgit Güll · 9. Januar 2012

Eines war Klaus Staeck nie: unpolitisch. Der Plakatkünstler, Jurist und Präsident der Akademie der Künste prangert gesellschaftliche Missstände an. Verhältnisse, die ihm unerträglich sind, will er verändern. Robert Eberhardt nähert sich dem streitbaren Künstler in dem Essay „Atelierbesuch“.

In der Heidelberger Altstadt hat Klaus Staeck sein Atelier. 1956, da war er 18 Jahre alt, ist er aus seinem ostdeutschen Heimatort Bitterfeld in den Westen geflohen, nach Heidelberg. Hier hat er Jura studiert und hier entstehen seine Plakate und Postkarten. Hier hat Robert Eberhardt den Künstler besucht. Jeder Quadratmeter der Wand im Atelier sei mit unterschiedlichsten Dingen behangen und setze den Besucher einer Reizüberflutung aus. Eberhardt wollte herausfinden, was Staeck antreibt.

Sozialdemokratische Grundüberzeugung

41 Mal wurde versucht juristisch gegen Staecks Arbeiten vorzugehen – ohne Erfolg. Einige seiner Plakate sind legendär. „Wir machen mit ihrem Geld was wir wollen“ gezeichnet „German Bankers Club“, ist eines dieser Sujets. 1997 gestaltet ist es heute brandaktuell. Ein anderes berühmtes Motiv: „Deutsche Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen“. Damit wirbt Staeck im Bundestagswahlkampf 1972 für die SPD. Bezahlt hat er den Druck – immerhin eine Auflage von 70.000 Stück – aus eigener Tasche.

1960, als 22-Jähriger ist Staeck in die SPD eingetreten. Auch wenn er nicht alles mittrage: In der SPD habe er immer die meisten Mitstreiter gefunden, erklärtt er. Heute sei die Partei für ihn „ein Stück Routine, ein Stück Nostalgie, aber auch immer noch ein Stück Überzeugung“. Er teile immer noch die Grundsätze der Sozialdemokratie, engagiert sich für soziale Gerechtigkeit.

Position beziehen

„Ich leide an Ungerechtigkeit ein Leben lang“, sagt Staeck wenn Eberhardt ihn nach dem Antrieb für sein Engagement fragt. Und: „Je älter ich bin, desto zorniger werde ich.“ Seine Kunst ist ihm ein Mittel auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam zu machen. So werden seine Arbeiten auch nicht in kleiner Auflage zu hohen Preisen verkauft. Staeck will seine Aussagen transportieren, will die Menschen erreichen, wenn er soziale Probleme der Gegenwart thematisiert.

Seinen eigenen Verlag, die Edition Staeck, hat er schon 1965 gegründet. „Die Selbstständigkeit hilft ihm dabei, mit der bürgerlichen Kunstszene und ihren Markt- und Machtmechanismen auf Konfrontationskurs zu gehen“, so Eberhardt. Staeck hat kein Problem damit anzuecken. Als 2004 in Berlin die Sammlung Flick eröffnet wird, verteilt er Gutscheine, um an die Zwangsarbeiter zu erinnern, die im Nationalsozialismus gezwungen waren, mit ihrer Arbeit das Vermögen Flicks zu vergrößern. „Position beziehen – das ist sein Grundsatz“, schreibt Eberhardt.

Der Präsident als Gutmensch

Dem bleibt Staeck auch als Präsident der Akademie der Künste, zu dem er 2006 gewählt wurde, treu. Er organisiert Veranstaltungen, widmet sich aktuellen Problemen. Etwa dem Demokratieabbau in Ungarn, dem Arabischen Frühling oder der zunehmenden Bedrohung von Rechts. Das Haus am Pariser Platz in Berlin soll Relevanz bekommen, Position beziehen. Weil das kein Lippenbekenntnis ist, verbringt Staeck seit fünf Jahren viel mehr Zeit in der Hauptstadt als in seinem Heidelberger Atelier. Er hat seine Kunst vernachlässigt, sein politisches Engagement ist ungebrochen.

Robert Eberhardts „Atelierbesuch“ gibt einen Einblick in das Universum Staeck. So geht es, auch wenn der Titel das zunächst vermuten lässt, weniger darum ihn bei der Arbeit zu beobachten oder in seinem umfangreichen Archiv zu stöbern. Eberhardt porträtiert in dem lesenswerten Essay den politisch engagierten Künstler Klaus Staeck. Den nimmermüden Demokratie-Verteidiger, den Aufklärer, der ganz selbstverständlich danach strebt ein Gutmensch zu sein: „Ich frage mich immer, ob die anderen denn Schlechtmenschen sein wollen“, so Staeck.

Robert Eberhardt: „Atelierbesuch Klaus Staeck“, Wolff Verlag, Berlin 2011, 47 Seiten, 8,90 Euro, ISBN 978-3-941461-08-6

Autor*in
Birgit Güll

ist Redakteurin, die für den „vorwärts“ über Kultur berichtet.

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