Welcome To Norway: Reich werden mit Flüchtlingen
In jeder Komödie steckt bekanntlich auch eine Tragödie und umgekehrt. Warum sollte man also nicht mit den Mitteln der Komik über die aktuelle Flüchtlingsbewegung in Europa erzählen? Regisseur Rune Denstad Langlo hatte aber noch einen anderen Grund, diese Schiene zu nehmen. Auch in Norwegen polarisiert das Flüchtlingsthema den politischen Diskurs, von Links bis Rechts nur noch wütendes Geschrei, von Humor keine Spur. „Wir Menschen sollten nicht über andere lachen, sondern zusammen miteinander lachen“, sagt er.
Geschäftsidee Flüchtlingsunterkunft
Dafür bietet „Welcome To Norway“ vielerlei Gelegenheit. Im Mittelpunkt steht Primus, ein ebenso grantiger wie getriebener und erfolgloser Familienvater irgendwo in den Weiten Nordnorwegens. Primus blickt auf eine Reihe von Bruchlandungen zurück. Seine neueste Geschäftsidee: eine Flüchtlingsunterkunft! Und zwar in dem Hotel, das er gegenüber von seinem Wohnhaus gebaut hat. Schließlich gibt es dafür reichlich Geld vom Staat. Die Sache hat nur einen Haken: Weil auch aus den hochfliegenden Hotel-Plänen nichts wurde, blieb das Gebäude eine Baustelle. Bezugsfertig machen sollen es die Flüchtlinge, die eines Tages am Bahnhof stranden. Bis dahin, so Primus, müssen sie eben improvisieren. „Neger sind es gewohnt, draußen zu schlafen“, doziert er. Wieder mal zeigt sich: Dort, wo es am wenigsten Zuwanderer gibt, ist die Angst vor allem Fremden besonders groß. Primus hasst alles und jeden, was fremd ist. Ob Afrikaner, Südnorweger oder die Schweden jenseits der nahen Grenze.
Geschicktes Spiel mit Vorurteilen
Die Behördenmitarbeiter, die immer wieder mal reinschauen, sind ohnehin darauf aus, die Refugees möglichst schnell wieder loszuwerden. Für den großen Sprung zum fertigen Heim muss ein Kredit her, am besten von der Gemeinde. Die ebenso idealistische wie aufdringliche Sozialarbeiterin Line fädelt das Ganze ein, doch der Deal hat seinen Preis. Plötzlich ist auch Primus auf der Flucht.
Behördenwirrwarr, ein gieriger Heimbetreiber und vor allem Geflüchtete, die im vermeintlich gelobten Land auf dem Boden der Tatsachen landen: Vieles von dem, was der Film anspricht, kennt man aus dem wirklichen Leben. Langlo findet allerdings einen ganz eigenen Stil, die Beziehung zwischen den unfreiwilligen Hotelbewohnern und den Norwegern skurril zu porträtieren, ohne zu sehr ins Absurde abzudriften. Bei dem geschickten Spiel mit Vorurteilen kommt ein Humor zum Zug, der mal trocken, mal schwarz, aber sehr oft politisch unkorrekt ausfällt. Mitunter entlarvt die Komik aber auch die düstere Wahrheit hinter alltäglichen Situationen. Etwa, wenn eine Heimbewohnerin unverhofft von ihrer Vergewaltigung berichtet.
Primus als typische Antiheld des nordischen Kinos
Im Lauf der Zeit macht sich in der Erzählweise aber auch eine warmherzige Note breit: Je wichtiger für Primus das Bündnis mit Abedi wird, desto mehr öffnet er sich gegenüber den Menschen, für die er ursprünglich nur abkassieren wollte. Gerade aus dieser inneren Entwicklung des Protagonisten, der Züge jener typischen Antihelden des nordischen Kinos hat, speist sich letztendlich auch die Substanz des Films.
Viele Figuren, vor allem die überdrehte Gutmenschin Line oder Primus' frustrierte Gattin Hanni, werden vor allem vorgeführt. Was soll's: Der Komik tut das keinen Abbruch. Dass von den Geflüchteten – Langlo drehte mit rund 50 Refugees aus 20 Ländern und besetzte sie weitgehend als Statisten – nur drei Figuren in die Tiefe gehen, mag man bedauern, anders wäre es aus Gründen der Erzählökonomie aber anders kaum möglich gewesen.
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