Kultur

Weil Nichts nicht alles gewesen sein kann

von Birgit Güll · 5. Februar 2009
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Wie alles begann...
"Ich möchte bitte mein Abonnement kündigen," lautet der erste Satz, den Leo Leike von Emmi Rothner liest. Denn in "Gut gegen Nordwind" beginnt alles mit einem Tippfehler in einer E-Mailadresse. So landet Emmi versehentlich im Posteingang von Leo Leike.

Aus diesem Missverständnis entwickelt sich ein intensiver Schriftwechsel: ein Spiel zwischen Preisgabe und Verschleierung, ein sprachliches Feuerwerk, und vor allem eine erfrischende und bezaubernde Liebesgeschichte -ausschließlich in E-Mails. Der große Haken: Emmi Rothner ist verheiratet. Zu einem Treffen - um das die Unterhaltung immer wieder kreist - kommt es nicht. Als alles zu verworren scheint, flieht Leo nach Boston. Fortan erreicht Emmi nur noch den Systemmanager seines Mail-Programms. Ende.

Wie es enden soll...

Und nun die Fortsetzung: "Alle sieben Wellen". Enttäuschung programmiert? Vielleicht! Aber der begierige Leser von "Gut gegen Nordwind" wird kaum widerstehen können. Die Erinnerung an das "Rothner'sche Frageschema" ist noch frisch, und zu lange hat er nichts von Leo gelesen, der so "fantastisch gut gegen Nordwind" ist. Also: Leo Leike kommt nach neun Monaten zurück aus Bosten - mit Pamela im Gepäck. Und Emmi Rothner? Ist immer noch verheiratet. Schon beginnt die Unterhaltung von neuem. Der Bestseller ist anvisiert.

Diesmal treffen sie sich - und zwar gleich am Beginn. Die Idee hinter dieser ersten persönlichen Begegnung ist "ein würdiger Abschluss", also das Ende der E-Mail-Beziehung. Was folgt ist die schriftliche Analyse dieses "Abschieds" - die einen Neubeginn der Dauer-Korrespondenz einleitet. Wieder prägt der Wechsel zwischen Distanz und Nähe das Verhältnis. Und wieder scheitern alle Anläufe zur Beendigung der virtuellen Liebschaft: "Lieber Leo, wir sind uns hoffentlich einig, dass 'Nichts' noch nicht alles gewesen sein kann", formuliert Emmi.

Wie sie warten...
Und nun warten die beiden. Und zwar auf die titelgebende siebente Welle. Jene unbeugsame Welle, von der Emmi während eines Urlaubs hörte: Sie sei unberechenbar, könne ausbrechen und alles ändern. Metaphern wie diese zeigen, dass mehr Kitsch und ein größerer Drang zum Happy End die Fortsetzung des Romans prägen. Sie sind noch da: die bissigen, koketten, zynischen, witzigen, Mails, die den Leser wieder zu fesseln vermögen. Aber es gibt auch diese Wellen, oder einen vom Treffen gebliebenen "Berührungspunkt" in Leos linker Handfläche.

Das Buch ist ein "würdiger Abschluss", wie Leo und Emmi sich ausdrücken. Es reicht nicht an seinen Vorgänger heran, aber das war auch kaum möglich. Zu überraschend, zu erfrischend anders war das sprachliche Kokettieren der beiden Mail-Partner in "Gut gegen Nordwind". Das kann eine Fortsetzung nicht leisten. Aber Glattauer hat immer noch genügend Ideen und Sprachwitz, um ein temporeiches Lesevergnügen zu schaffen.

Schließlich bleiben es Leo und Emmi, die einander schreiben, einander grollen, einander herausfordern und nicht voneinander loskommen. In diesem Sinne ist "Alle sieben Wellen" keine Enttäuschung. - Auch wenn der etwas schale Geschmack eines zweiten Aufgusses bleibt.



Daniel Glattauer: "Alle sieben Wellen", Deuticke im Paul Zsolnay Verlag, Wien, 2009, 220 Seiten, 17,90 Euro, ISBN 978-3-552-06093-7

Daniel Glattauer: "Gut gegen Nordwind", Deuticke im Paul Zsolnay Verlag, Wien, 2006, 223 Seiten, 17,90 Euro, ISBN 978-3-552-06041-8





Autor*in
Birgit Güll

ist Redakteurin, die für den „vorwärts“ über Kultur berichtet.

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