Was Steinmeiers neues Buch über Außenpolitik in Krisenzeiten verrät
Claudia Roth hat sich vorbereitet. Die Grünen-Politikerin und Bundestags-Vizepräsidentin hat sich wichtige Stellen in Frank-Walter Steinmeiers Buch „Flugschreiber“ mit Zetteln markiert. Es sind viele Zettel. „Mal wieder ein Politikerbuch, mal wieder eine Biografie“, sagt Roth. Man könne sich schon fragen, ob es so ein Buch noch brauche. Für sie steht fest: „Dieses ist ein gutes und wichtiges Buch.“ Steinmeier freut sich: „Zumindest habe ich schon mal einen Leser.“ „Leserin, Frank-Walter, Leserin“, korrigiert Roth und der Saal lacht.
Steinmeier setzt auf gute Nachbarschaft
Für die Vorstellung seines Buches hat Noch-Außenminister Steinmeier am späten Donnerstagnachmittag ins Berliner Gorki Theater geladen. Mit ihm auf der Bühne sind eine enthusiastische Claudia Roth, die das Buch vorstellen soll, und ein sachlich-nüchterner Ulrich Deppendorf, der die Diskussion zwischen den beiden Politikern moderiert. „Notizen aus der Außenpolitik in Krisenzeiten“ verspricht der Buchtitel – für Roth ist das Ganze eher eine Art „Poesiealbum“, und das meint sie positiv. Sie erkennt in Steinmeiers außenpolitischem Ansatz eine große Nähe zu Willy Brandt und dessen Aussage „Wir wollen gute Nachbarn sein“. Ob Ukraine-Krise, der Umgang mit der Türkei oder das Atom-Abkommen mit Iran: Die Außenpolitik unter Steinmeier suche nicht nach einfachen Antworten, bestände aber auf Verantwortung.
„Flugschreiber“ ist ein außenpolitisches Buch und so gibt es natürlich die obligatorischen Geschichten von diplomatischen Missionen und harten Verhandlungen. Es gibt aber auch jede Menge persönlicher Anekdoten – es menschelt. So erzählt Steinmeier von dem Brief einer Mittelschul-Lehrerin, der ihn aus dem umkämpften ukrainischen Donezk erreichte. Oder von einer spontan abgeänderten Rede in Litauen, als das Publikum eben nicht wie erwartet aus literaturaffinen Thomas-Mann-Kennern bestand, sondern aus Touristen und Neugierigen.
Tierisches Geschenk für den Außenminister
Und dann ist da natürlich Donnernde Hufe – das Pferd, das der mongolische Präsident Steinmeier schenkte. Im Gorki Theater berichtet Steinmeier, begleitet von allgemeinem Gelächter, dass in Berlin für das Tier kein Platz gewesen sei. Bei einem Treffen mit dem mongolischen Präsidenten hätte dieser ihm aber versichert, Donnernde Hufe gehe es gut, das Pferd sei nun Teil der mongolischen Kavallerie.
Tierische Geschenke beiseite, in der Diskussion mit Claudia Roth geht es noch einmal um die großen Linien der Außenpolitik. „Man darf sich die Welt nicht einfacher machen, als sie ist“, sagt Steinmeier. Er wehre sich außerdem gegen „Endgültigkeitsfeststellung“. Eine Kollegin habe ihm mal gesagt: „In der Interpunktion der Außenpolitik gibt es nie einen Punkt, sondern nur Kommas“. Nie sei etwas ganz beendet, alles sei Teil eines fortlaufenden Prozesses.
Steinmeier setzt auf Geduld und Ausdauer
Letztendlich ist Außenpolitik für Frank-Walter Steinmeier nichts anderes als der Versuch, ein ineinander verknotetes Knäul zu entwirren. In seinem Buch erinnert er an „Maria die Knotenlöserin“, ein Gnadenbild der katholischen Wallfahrtskirche St. Peter am Perlach in Augsburg. Das Bild zeigt Maria wie diese versucht, ein verknotetes Band zu lösen. Ihr Blick ist konzentriert, fast friedlich, meditativ. „So ist Außenpolitik“, stellt Steinmeier fest. Es geht darum, die Knoten zu lösen – und das funktioniert eben nur mit Geduld, Ausdauer und Ruhe.
Frank-Walter Steinmeier: „Flugschreiber. Notizen aus der Außenpolitik in Krisenzeiten“, erschienen im Propyläen Verlag, 240 Seiten, ISBN-13 9783549074817